Wo immer Du bist, Darling
Sohn!«
Völlig überwältigt schmiedete er Anja an seine Brust und lehnte seine Stirn gegen ihre. Eine Flut von Gefühlen stürzte auf ihn ein. Ehrfurcht. Ergriffenheit. Freude. Stolz. Liebe. Vor allem Liebe. Anja hatte ihm ein Kind geschenkt! Nicht in seinen kühnsten Träumen hätte er ein solches Wunder erwartet.
Einen Moment blieb er an sie gelehnt knien und ließ das neue Wissen in sein Herz fließen. Tausend Fragen sprangen durch seinen Kopf. Alle auf einmal. Wie er wohl war, sein Sohn? Benahm er sich genauso wild und ungestüm wie er als Kind oder glich sein Wesen eher Anjas?
»Sieht er mir ähnlich?«, war das Erste, was er laut aussprach.
*
Anja musste angesichts dieser typisch männlichen Frage schmunzeln. »Sehr sogar.«
Ramon grinste spürbar stolz, rieb seine Wange an ihrer Schläfe, dann lachte er glücklich. »Ich kann es nicht erwarten, ihn zu sehen, ich bin so gespannt, was er …« Er stutzte. »Weiß Adrian, dass ich sein Vater bin?«
Als sie sah, wie nervös er plötzlich wirkte, liebkoste sie gerührt seine Brust. »Nein, aber er wird es sich denken, wenn er dein Gesicht sieht.«
»So ähnlich sieht er mir?« Die Ungläubigkeit war ihm deutlich anzumerken.
Lächelnd nickte sie erneut. »Dein Vater hat es auch gleich gewusst.«
»Lass uns gehen.« Entschlossen stand Ramon auf und zog sie mit sich.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zum Haus. Sein Daumen rieb zärtlich ihren Handrücken. »Ist es dir schwergefallen, hierherzukommen?«
Anja schüttelte bei seinen leisen Worten den Kopf und sah ihn an. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich auf dich warten werde, das habe ich ernst gemeint.«
Ramon blieb stehen. »Ich weiß. Ich habe es nie vergessen.« Er schluckte. »Ich habe nichts von dem vergessen , was zwischen uns geschehen ist.«
»Ich auch nicht.« Sie blinzelte gegen die neuen Tränen an. »Die Wochen mit dir waren das Unglaublichste, was ich je erlebt habe. Als sie dich dann verurteilt haben, dachte ich, das ist das Ende. Ich wusste nicht, wie ich ohne dich leben sollte, ich war völlig verzweifelt.«
»Das Gleiche habe ich auch gedacht.« Er fuhr sich schwer atmend durch die Haare. »Ich hatte zwar damit gerechnet, für mehrere Jahre ins Gefängnis zu müssen, aber so eine lange Zeit …« Seine Wangenmuskeln verhärteten sich. »An jenem Tag im Gericht sind all meine Hoffnungen, all meine Träume auf eine gemeinsame Zukunft mit dir gestorben. Das war die Hölle, schlimmer als alles, was sie mir sonst hätten antun können.«
Sie umfasste sein Kinn und küsste ihn unter Tränen. Allein die Erinnerung an diesen Tag schnürte ihr das Herz ab.
Ramon legte die Hände an ihren Rücken und holte sie noch ein Stück näher an sich. Eine Weile versank sie in seinem Kuss, dann löste sie sich von ihm.
Als sie weitergingen, fasste er wieder nach ihrer Hand, verschränkte automatisch die Finger mit ihren. Genau so, wie sie es bei ihrer Wanderung durch den Wald getan hatten.
»Ich habe dir mehrere Briefe geschrieben«, sagte Anja. »Aber sie wurden alle als unzustellbar an mich zurückgesandt.«
Ramon blickte sie bewegt an. »Es wäre das Größte für mich gewesen, eine Nachricht von dir zu bekommen … Dass ich sie nicht erhalten habe, wundert mich nicht. Eine Woche nachdem ich in der Strafanstalt angekommen war, haben sie im Westflügel der Anstalt Setzrisse im Mauerwerk festgestellt. Der komplette Flügel musste abgerissen und alle Häftlinge dieses Trakts verlegt werden. Ich auch. Zuerst haben sie mich nach Marin County verfrachtet, kurz darauf in die Nähe von Sacramento. Du glaubst gar nicht, wie überfüllt die Gefängnisse in den USA sind. Da geht es zu wie in einem Taubenschlag.«
Anja nickte. Möglicherweise war das der Grund gewesen, warum sie damals nur einen Teil der Informationen hatte in Erfahrung bringen können.
»Nach viereinhalb Jahren wurde die Haftanstalt, in der ich zuletzt einsaß, aus Kostengründen geschlossen«, fuhr er fort. »Wir sollten in ein anderes, größeres Gefängnis verlegt werden. Bei der Fahrt dorthin gab es einen Defekt am rechten Vorderreifen. Der Bus kam ins Schleudern, prallte gegen eine Felswand und fing Feuer.«
»O Gott!« Anja krampfte erschrocken ihre Hand um Ramons. Er wäre fast gestorben und sie hätte es nicht einmal erfahren.
Ramon drückte zärtlich ihre zitternden Finger. »Mir ist nichts passiert, aber zwei der Wachmänner und fünf Gefangene waren eingeklemmt. Während die anderen Sträflinge
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