Wo immer Du bist, Darling
leider war es das nicht. Stattdessen erinnerte sie sich peinlich berührt daran, wie bereitwillig sie auf dem Pferd an ihn gesunken war. Ach ja, und gegen ihn zu rennen schien neuerdings auch eine Sportart von ihr zu werden.
Wütend rief sie sich zur Ordnung. Daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern. Außerdem bedeutete das noch lange nicht, dass sie zu vertraulich mit ihm umging. Schließlich war er derjenige gewesen, der damit angefangen hatte …
Die Lage war schon verzwickt genug, auch ohne dass sie sich über solch unbedeutende Vorfälle den Kopf zermarterte. Sie flohen durch die Wildnis. Nur er und sie. Da kam es schon mal vor, dass man etwas schrullig wurde. Übertrieben sorgsam raffte sie die Decke wieder um sich.
So vernünftig diese Argumentation vielleicht erscheinen mochte, die erhoffte Beruhigung ihrer Nerven blieb leider aus. Resigniert schob sie jede Überlegung zur Seite und betrachtete stattdessen ihren Lagerplatz.
*
Ramon versorgte mit geübten Bewegungen das Pferd, danach schichtete er Zweige auf und breitete mehrere Decken darüber. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die fahrigen Bewegungen seiner Begleiterin. Eines musste man der zarten Lady lassen. Sie war nicht so leicht unterzukriegen.
Fast hätte er geschmunzelt, als ihm auffiel, in welch krassem Gegensatz ihre stolze Haltung zu dem verwahrlosten Aussehen stand. Schmutzreste des missglückten Fluchtversuchs zierten immer noch ihre Wangen und hoben sich im Mondlicht von ihrem hübschen Gesicht ab. Zerrupfte blonde Locken, die in einem wirren Durcheinander ihren Kopf umrahmten, rundeten das bizarre Bild ab.
Er war gespannt, wie sie darauf reagieren würde, das Lager unter freiem Himmel mit ihm zu teilen. Anscheinend kämpfte sie immer noch darum, ungeachtet ihrer Situation eine gewisse Distanz zu ihm zu wahren. Daraus wurde leider nichts, denn er konnte ihr hier draußen schlecht ein eigenes Zimmer anbieten.
Mit leichter Verbeugung zeigte er auf den Schlafplatz.
Anja stolzierte schweigend an ihm vorbei und ließ sich mit bewundernswerter Würde am äußersten Rand der Lagerstätte nieder.
Ramon reichte ihr eine weitere Decke, dann legte er sich neben sie. Erheitert verfolgte er ihre vergebliche Mühe, eine erträgliche Lage zu finden, kreuzte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.
Er schlief sehr gern im Freien. Er liebte die Geräusche, die frische Luft. Aufgeräumt begann Ramon sich zu entspannen und genoss die innere Ruhe, die vor dem Schlaf kam …
Lautes Kreischen ließ ihn postwendend auffahren.
Anja sprang wie von einer Tarantel gestochen in die Höhe und machte samt Decken einen beeindruckenden Satz von ihm weg.
Irritiert sah er sich um.
Einige Schritte neben seinen Beinen tapste ein harmloses Opossum auf der Suche nach Nahrung umher.
»Keine Angst, es tut dir nichts«, sagte er ruhig und lehnte sich auf die Ellbogen zurück. Hätte ihn auch gewundert, wenn es etwas Gefährliches gewesen wäre. Er besaß ein ausgezeichnetes Gehör und das kleine Tier war ihm schon vor einer ganzen Weile aufgefallen.
Sie ließ sich davon nicht beschwichtigen. »Bitte, bitte, mach, dass es weggeht«, bettelte sie mit piepsiger Stimme, stand stocksteif da und rührte sich keinen Millimeter.
Seufzend stützte sich Ramon auf einen Arm und warf Kiefernzapfen nach dem Nager, bis sich das Tier langsam trollte.
Als er Anjas Erleichterung bemerkte, konnte er sich ein Grinsen nicht länger verkneifen.
Sofort sah sie ihn aus schmalen Augen an. »Das ist nicht witzig.« Anklagend zeigte sie in die Richtung, in die das Opossum verschwunden war. »Vielleicht bist du ja hier im Gebüsch aufgewachsen, ich jedenfalls nicht. Und wenn wir schon mal beim Thema sind. Was genau hast du eigentlich vor? Wohin reiten wir überhaupt? Du warst es doch, der mir gesagt hat, dass es hier nichts außer Wildnis gibt. Woher weiß ich denn, ob ich dir vertrauen kann? Schließlich gehörst du genauso zu der Verbrecherbande wie die anderen.« Schwer atmend klappte sie den Mund zu.
Ramon starrte sie verblüfft an. Himmel, das Tierchen hatte ihr wohl einen mächtigen Schrecken eingejagt. »Also erstens bin ich tatsächlich im Gebüsch aufgewachsen. Zweitens gibt es einige Tagesritte von hier eine kleine Hütte, die mein Bruder nicht kennt und die uns für eine Weile Schutz bieten wird. Und was den Rest angeht, wirst du mir wohl oder übel vertrauen müssen.«
Sie sagte nichts, verschränkte nur die Arme vor der Brust.
Ramon begutachtete ihr
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