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Wo immer Du bist, Darling

Wo immer Du bist, Darling

Titel: Wo immer Du bist, Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Stefanie Hoell
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Geisel abgehauen war? Sie wollte es sich nicht vorstellen. Schlagartig wurde ihr klar, dass Ramon sein Leben für sie aufs Spiel setzte.
    »Warum tust du das?«, fragte sie.
    Er sah kurz mit gerunzelter Stirn auf, fuhr dann aber fort, die Satteltaschen zu befestigen. »Warum tue ich was?«
    »Mich vor deinem Bruder retten.«
    Er hielt inne und hob den Kopf. Der Ausdruck seiner Augen ließ sich nicht deuten. »Vielleicht, weil ich keinen Bock habe, mir noch eine Leiche auf die Fahne zu schreiben.«
    Anja starrte ihn sprachlos an.
    Ein verbitterter Zug erschien um seinen Mund. Mit sparsamen Handgriffen erledigte er die unterbrochene Arbeit. »Wir müssen los. Gib mir die Tasse.«
    Zögernd reichte Anja ihm das Gefäß. Sie verfolgte seine zackigen Bewegungen und konnte sich auf seine merkwürdige Aussage keinen Reim machen.
    Ramon verstaute den Becher, dann hob er Anja wieder vor sich aufs Pferd. Er griff um sie herum und nahm die Zügel auf. Anja dachte an ihre nutzlosen Versuche, auf Abstand zu bleiben und schloss den inneren Kompromiss, sich nur ein bisschen an ihn zu lehnen. Nach der gestrigen Tortur hatte sie eingesehen, dass es um einiges bequemer war, wenn sie in Ramons Nähe locker blieb. Er hatte damit nachweislich keine Probleme, denn sein Arm ruhte bereits wieder entspannt um ihre Hüfte. Zaghaft ließ sie sich gegen ihn sinken und meinte zu spüren, wie er erleichtert aufatmete. Rasch verkniff sie sich ein Lächeln. Wahrscheinlich war ihre gestrige Steifheit nicht nur für sie anstrengend gewesen. Insgeheim musste sie einräumen, dass sie es nicht unangenehm fand, mit ihm auf Tuchfühlung zu gehen. Natürlich nur, weil es die Umstände erforderten.
    Ihre Gedanken kehrten zu dem vorherigen Wortwechsel zurück. Was hatte er mit »noch eine Leiche« gemeint? Er hatte doch nicht wirklich schon einen Menschen umgebracht, oder?
    Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass er dermaßen gewalttätig war. Seit jeher hatte sie sich auf ihre Menschenkenntnis verlassen können – von diesem Idioten Richard einmal abgesehen. Bei Santos war sie ziemlich rasch zu der Einsicht gelangt, dass er durchaus imstande war, wahllos Menschen abzuschlachten. Aber Ramon? Bei ihm lag die Sache anders, davon war sie felsenfest überzeugt. Anja nahm sich vor, ihn noch einmal danach zu fragen. Später.
     
    *
     
    Ramon betrachtete den blonden Scheitel vor sich. Worüber die Lady wohl gerade nachgrübelte? Eigentlich konnte er es sich denken. Wenn es anatomisch möglich gewesen wäre, hätte er sich selbst in den Hintern getreten. Er hatte überhaupt nicht vorgehabt, ihr so viel von sich preiszugeben. Aber ihre unschuldige Frage hatte ihn total überrumpelt. Nach dem, was er bisher von ihr erlebt hatte, würde er jede Wette eingehen, dass Miss Neugierde das Thema bei nächster Gelegenheit wieder auf den Tisch brachte. Bis dahin musste er eine halbwegs glaubhafte Geschichte zusammengestrickt haben. Noch einmal würde er sich nicht zu einer unbedachten Äußerung hinreißen lassen.
    Schweigend ritten sie den ganzen Vormittag weiter.
    Ein Wasserfall kam zwischen den Bäumen in Sicht. Ramon atmete auf. Wurde auch langsam Zeit, dass sie den Fluss erreichten. Jetzt mussten sie nur noch die Brücke überqueren und dann hieß es ¡Hasta la vista! zu Santos und seinen Männern.
    Er legte den Arm fester um Anjas schmale Taille, bevor er das Tier an den steilen Felswänden bergab lotste. Je eher sie den Übergang überquerten, den Wilderer vor einigen Jahren errichtet hatten, desto besser. Danach konnten sie spurlos verschwinden, denn sein Bruder kannte das Gebiet jenseits des Flusses so gut wie gar nicht. Er hingegen schon.
    Ramon achtete darauf, dass sie ohne Kratzer an den allgegenwärtigen Büschen vorbeikamen, dann betrachtete er den Rand der Schlucht.
    Irritiert zügelte er das Pferd. Was zum Teufel …?
    Er war sich hundertprozentig sicher, dass er die richtige Stelle getroffen hatte: die scharfe Biegung des Flussbetts, die schmale Schlucht zwischen den Felsen, die drei großen Redwood-Bäume auf der gegenüberliegenden Seite. Alles war wie immer.
    Alles, bis auf die Brücke. Die war verschwunden.
     
    *
     
    Ramon fluchte auf Spanisch und sprang vom Pferd. Mit finsterem Gesichtsausdruck ging er bis zum Rand des Vorsprungs.
    Anja sah ihm beunruhigt nach. »Was ist los?«
    Er legte die Hände in den Nacken und drehte sich zu ihr um. »Die Brücke über den Fluss ist weg.«
    »Was?« Entgeistert rutschte sie vom Pferd. »Aber wie kann

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