Wo immer Du bist, Darling
zog.
Wenig später stand er tatsächlich wieder aufrecht.
Nach Atem ringend blickte er in ihre Augen. Alle Schleier zwischen ihnen waren gefallen und er sah ihr direkt in die Seele, genauso, wie sie vermutlich in seine blicken konnte. Zum ersten Mal erkannte er die reinste Form der Liebe, ihre bedingungslose Akzeptanz.
Anja schlang beide Arme um seine Mitte und legte in stummer Demut den Kopf an seine Brust. Ramon drückte sie ergriffen an sich. Einige Herzschläge lang blieb er eng umschlungen mit ihr stehen, dann sah sie wieder zu ihm auf.
Er stützte sich auf ihre Schultern, als sie, einen Arm weiterhin um seine Mitte, neben ihn trat. Dicht aneinandergepresst wankten sie gleichzeitig los, machten sich gemeinsam auf das letzte Stück des beschwerlichen Weges.
Anja ging unbeirrt Schritt um Schritt. Und er folgte ihr. Trotz der Dunkelheit, trotz der Kälte, trotz der Qualen. Ramon konnte es fast nicht glauben, aber sie schafften es tatsächlich bis zur Hütte.
Die Stufen zur Holztür ließen ihn vor Schmerzen in kalten Schweiß ausbrechen. Stöhnend kämpfte er sich an Anjas Seite die letzten Schritte hinauf. Sie schob ihn, ohne anzuhalten, aufs Bett zu und half ihm, das Bein hochzulegen.
Ramon ließ sich nach hinten fallen, legte einen Arm übers Gesicht und schloss die Augen. Er wollte einen Moment ausruhen. Nur einen kurzen Moment. In seinem Kopf begannen die Gedanken zu trudeln, grelle Lichter blitzten hin und her. Immer schneller. Dann wurde alles schwarz.
*
Anja gab einen erschrockenen Laut von sich, als Ramons Arm kraftlos vom Bett rutschte. Panisch tastete sie nach seinem Puls.
Nichts. Sie konnte nichts finden. Klaftertiefe Angst überflutete sie. O Gott. »Ramon. Nein!« Sie bemerkte kaum, dass sie ihn anschrie. »Du stirbst mir hier nicht einfach weg, hörst du?«
Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn ruppig, ohrfeigte ihn sogar. Er bewegte sich nicht. Ihre Fingerspitzen irrten hektisch auf seinen Hals zurück. Immer noch nichts. Anja schluchzte. Sie zitterte so stark, dass sie nicht mal ihren eigenen rasenden Herzschlag spürte. Beherrscht rief sie sich zur Ordnung, atmete tief durch und versuchte es noch einmal.
Da. Sie hatte ihn! Sein Puls war zu erfühlen, schwach zwar und flatternd, aber er war da. Einen Moment lang schloss sie dankbar die Augen, dann zerrte sie das Messer aus seinem Gürtel und begann die blutstarre Hose von seinem Körper zu schneiden.
Vielleicht war es ganz gut, wenn Ramon in den nächsten Minuten nichts mitbekam. Sie würde den angetrockneten Verband abnehmen und die Wunde säubern, das musste er nicht bei vollem Bewusstsein erleben.
Hastig sah sie sich um. Ramon hatte mit dem, was er über die Hütte gesagt hatte, nicht übertrieben. Neben der Feuerstelle lagen ordentlich aufgestapelte Holzscheite. Dünnes Reisig befand sich daneben. Sie stürzte sich darauf und baute mit fliegenden Händen einen Kreis aus Holz unter dem Kamin, genau so, wie sie es bei Ramon gelernt hatte. Rasch tastete sie auf dem Kaminsims nach einem Feuerzeug. Es gab keins.
Sie eilte zum Schrank und durchwühlte die oberste Schublade. Karte, Kompass, Munition, Batterien. Nein.
Sie öffnete die nächste Schublade. Blechgeschirr, Messer, Angelhaken, Karabiner, Dosenöffner und … Feuerzeug!
Schnell nahm sie es an sich und setzte das Reisig unter dem Holzstapel in Brand. Während das Feuer aufloderte, riss sie einen Topf aus dem Hängeschrank und öffnete eine der Plastikflaschen mit Wasser, die sie bei den Vorratsdosen fand. Anja füllte einen Topf und hängte ihn über das prasselnde Feuer. Danach rupfte sie mehrere Decken aus dem anderen Schrankfach und warf sie auf den Tisch.
In der untersten Schublade entdeckte sie endlich die Medikamentenbox sowie Seife und Nähzeug. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Schachtel. Alles hing davon ab, was sich darin befand. Sie enthielt Pflaster und Tuben mit diversen Salben. Fahrig räumte sie alles aus und stieß – gottlob – auf Penicillinpulver. Auch Verbandsmaterial war vorhanden, aber bei Weitem nicht genug.
Ohne zu zögern, griff sie nach einem der sauberen Hemden auf den Regalbrettern und schnitt es mit Ramons scharfem Messer in Streifen, dann zerteilte sie die Seife in zwei Hälften und löste eine davon im heiß werdenden Wasser auf.
Sie trat neben das Bett und schälte mit geübten Bewegungen die Druckkompresse von Ramons Wunde. Beinahe sofort quoll frisches Blut hervor. Sie schluckte. Sie durfte keine Zeit mehr
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