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Wo immer Du bist, Darling

Wo immer Du bist, Darling

Titel: Wo immer Du bist, Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Stefanie Hoell
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aufgrund des Schockzustands noch mehr Energie. Was sie auch tat, ihre Bemühungen beeindruckten ihn nicht sonderlich. Als er Gefahr lief, aus dem Bett zu fallen, stemmte sie ihr gesamtes Körpergewicht auf ihn. Sie fühlte sich wie ein Kaninchen, das versucht, einen Löwen zu bändigen. Trotzdem ließ sie nicht locker.
    Er wehrte sich erbittert gegen ihren Griff und schrie bis zur Heiserkeit. Erschüttert fragte sie sich, welches Erlebnis eine solche Reaktion hervorrufen konnte. Vor Anstrengung und Sorge schossen ihr Tränen in die Augen. Sie probierte nicht einmal, sie zurückzublinzeln, so sehr beanspruchte er ihre Aufmerksamkeit.
    Die ganze Sache gipfelte in einem ausgewachsenen Handgemenge, das sie nur gewann, weil sie sich letztendlich auf seine Brust setzte.
    Genauso plötzlich, wie sie begonnen hatte, riss Ramons Gegenwehr ab. Es wirkte, als hätte ihm jemand den Stecker gezogen. Wie in Trance lag er unter ihr, starrte ins Leere, bewegte sich bis auf die keuchende Atmung seines Brustkorbs überhaupt nicht mehr.
    Anja löste langsam ihre verkrampften Finger von seinen Schultern. Nur noch die Abdrücke ihrer Nägel erinnerten an das, was sich gerade abgespielt hatte. Sie rutschte vorsichtig von seiner Brust, legte sich neben ihn und liebkoste seine Wange. Ihre sanften Berührungen schienen ihn endlich zu beruhigen. Die angespannte Starre seines Körpers wich und nach einigen Atemzügen fiel er in tiefen, totenähnlichen Schlaf.
    Sie wachte über ihn und versuchte, zu verarbeiten, was sie eben gesehen hatte. Sie sprach zwar kein Spanisch, aber dass der Anfall mit seiner Mutter in Verbindung stand, hatte sie trotzdem begriffen.
    Langsam begann sie zu verstehen . Etwas Unvorstellbares musste ihm oder seiner Familie zugestoßen sein und irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass dieses Ereignis der Auslöser für seinen Feldzug gegen die Amerikaner gewesen war. Und man brauchte kein Hellseher zu sein, um eine Verbindung zu den Narben auf seinem Rücken herzustellen. Irgendwie passte alles zusammen. Nur wie?
    Anja bettete ihren Kopf auf den Rand des Kissens. Sie konnte jetzt stundenlang darüber nachgrübeln, aber das würde sie kein Stück weiterbringen. Sobald Ramon das Bewusstsein zurückerlangte, musste sie ihn fragen, was sich damals zugetragen hatte. Vielleicht würde er dieses Mal ehrlicher antworten als an jenem Abend am Feuer.
    Sacht strich sie über seinen Arm, der jetzt entspannt neben ihrer Hüfte ruhte, und fuhr sich müde über die Augen. Sie brauchte dringend Schlaf. Wenn sie sich nicht mehr Pausen gönnte, würde sie in nicht allzu ferner Zukunft zusammenklappen. Damit wäre niemandem geholfen – insbesondere Ramon nicht.
     
    Das Fieber hielt an. Auch wenn sich der Ausbruch der ersten Nacht nicht noch einmal wiederholte, durchlebte Anja in den nächsten Tagen eine stetige Berg- und Talfahrt der Gefühle. Begann sie schon zu hoffen, dass sich Ramons Zustand bessern und das Fieber sinken würde, kam es mit unverminderter Heftigkeit und Schüttelfrost zurück.
    In diesen Momenten legte sie sich neben ihn, so lange, bis er wieder zur Ruhe kam. Ihre Nähe schien eine lindernde Wirkung auf ihn zu haben. Nichtsdestotrotz verbrachte sie die Nächte sicherheitshalber weiterhin auf dem Boden.
    Tagsüber stand sie nur auf, um für Feuer oder Essen zu sorgen oder andere notwendige Dinge zu erledigen. Mittlerweile wusste sie sowohl über ihre Vorräte als auch über die restliche Ausstattung der Hütte genauestens Bescheid. Sogar Zahnpulver, Rasierklingen und einen Kamm hatte sie gefunden, was angesichts des ursprünglich kargen Eindrucks der Hütte doch recht erstaunlich war.
    Im Grunde gab es alles, was man zum Überleben brauchte.
    Freudig überrascht hatte sie sich auf einen Behälter mit Trockensuppe gestürzt, den sie am Ende ihrer Bestandsaufnahme hinten im Schrank bei den Dosen ausgegraben hatte. Damit konnte sie Ramon wieder aufpäppeln.
     
    Zwei Tage später entschied sie, dass es an der Zeit war, damit zu beginnen. Entschlossen stellte sie die Tonschüssel mit Suppe auf einen Hocker neben dem Bett und schob eine Hand unter seine Schulter.
    »Ramon, Liebling, du musst aufwachen.« Sie schüttelte ihn, erreichte aber außer einem undeutlichen Murmeln keine Reaktion. Seine Augen blieben geschlossen. Sie startete einen neuen Anlauf, danach noch einen.
    Ramon zu wecken, stellte sich als schwierig heraus, denn das Fieber hielt ihn in betäubender Umklammerung, gab sein Bewusstsein nie ganz frei.

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