Wo ist Thursday Next?
oben im Norden herumgetrieben, auch als es noch keine Scharfen Romane gab und jenseits der Comedy bloß die Geschmacklosen und Fragwürdigen Dinge lagen. Dann wurde er zum Geheimtipp, weil er und seine Leute anfingen, jede Menge Metaphern flussabwärts zu schicken. Er hatte natürlich keine Lizenz, aber weil seine Lieferungen von zuverlässiger Qualität waren, nahm es niemand so genau. Sein Einflussbereich vergrößerte sich, aber weil er so gute Metaphern schickte, drückte der GattungsRat ein Auge zu. Erst als er das Gebiet zur eigenen Gattung erklärte und sagte, das seien die Scharfen Romane, hat sich der GattungsRat wirklich darum gekümmert.«
»Aber da war’s schon zu spät«, sagte Drake. »Speedy Mufflerhatte seinen Einfluss gesichert, und sein Genre war groß genug, um einen Sitz im GattungsRat zu beanspruchen.«
»Ich nehme an, FemLit hat das überhaupt nicht gepasst?«
»Nein, sie waren nicht gerade begeistert, das stimmt. Vor allem nicht, wenn er mit offenem Hemd bei Gipfeltreffen erschien und erklärte, die Feministinnen sollten sich mal ein ›bisschen locker‹ machen.«
»Schickt er immer noch Metaphern den Fluss herunter?«, fragte ich.
»Nicht mehr so viele wie früher«, sagte Drake, »aber wesentlich mehr als FemLit und Dogma zusammen. Das Gebiet im Norden ist sehr metaphernreich, und wer am meisten produziert, wird am reichsten. Stark vereinfacht könnte man sagen: Wer die Metaphernvorräte kontrolliert, kontrolliert die Fiktion. Es ist kein Zufall, dass FemLit und Krimis dreiundvierzig Prozent der Leserschaft haben. Wenn da oben Krakenromane angesiedelt wären, würde alle Welt über zehnbeinige Privatdetektive lesen und wäre begeistert.«
»Und warum werden die Scharfen Romane dann nicht mehr gelesen als die Frauenliteratur?«
»Wegen der
Sanktionen
«, sagte Drake und sah mich merkwürdig an. »Die Scharfen Romane gelten eben nach wie vor als minderwertig.«
»Ist das denn fair, wenn er so viele Metaphern erzeugt?«
»Sie fragen aber
sehr
grundlegende Dinge«, sagte Drake. »Ich hätte gedacht, dass Thursday Next über so etwas gut informiert ist – besonders, wenn sie wegen der Friedensgespräche hier ist.«
»Ich muss die Stimmung an der Basis ausloten«, sagte ich rasch. »Wir befinden uns ja in der Fiktion. Da zählen die Interpretationen immer mehr als die Fakten.«
»Oh«, sagte Drake. »Ich verstehe.«
Ich entschuldigte mich, denn Sprockett hatte gerade die Bar verlassen und war hinausgegangen. Ich holte ihn draußen vor der Vorratskammer ein.
»Guten Morgen, Ma’am«, flüsterte er. »Wie entwickeln sich die Dinge?«
»Was machen Sie hier?«
»Ich bin der Barkeeper.«
»Das hab ich gesehen.«
»Ich wusste, dass Sie mir nicht wirklich kündigen wollten«, sagte er. »Dafür bin ich als Butler zu gut. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie bloß altruistisch gewesen sind. Sie haben gedacht, diese Reise wäre zu gefährlich für Ihre Angestellten. Ich bin aber trotzdem gekommen. Was soll ich für Sie tun?«
Ich holte tief Luft. Wie es schien, waren Butler so ähnlich wie Plattfüße, Grübchen und streitsüchtige Tanten – man hatte sie lebenslänglich.
»In Kabine 12 ist ein Rätselhafter Passagier. Ich hätte gern, dass Sie herausfinden, was er hier macht.«
»Er macht überhaupt nichts – er ist einfach bloß der RP-K12. Haben Sie schon herausgefunden, wer als Kanonenfutter an Bord ist?«
»Soviel ich weiß, Drake.«
»Oh. Wird er von einem Krokodil gefressen? Oder kriegt er einen Giftpfeil ins Auge?«
»Finden Sie einfach so viel wie möglich über den Rätselhaften Passagier heraus, ja? Ich habe gehört, wie er sagte:
Ich denke gar nicht daran, Ihren Platz bei den Verhandlungen einzunehmen …
Vielleicht hat das was zu bedeuten.«
»Sehr wohl, Ma’am. Ich werde ein paar Erkundigungen einholen.«
36.
Die Mittelstation
Wenn Sie die Glitzerwelt der ChickLit mit ihrem ewigen Shopping und den nicht passenden Boyfriends mal satt haben, sollten Sie vielleicht eine kleine Reise zu den Fragwürdigen Lifestyle-Ratgebern versuchen. Eine Stunde in den heiligen Hallen der eingebildeten Übel verschafft Ihnen mindestens zehn Probleme, von denen Sie gar nicht mal wussten, dass sie überhaupt existieren, geschweige denn, dass Sie persönlich darunter leiden.
Bradshaws Führer zur BuchWelt,
7
.
Aufl.
Wir brauchten ungefähr eine Stunde, um die Comedy zu durchqueren, und obwohl alles ziemlich leichter Humor war und man ständig das
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