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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Fforde
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Gefühl hatte, man hätte alles schon mal gehört, wurde die Atmosphäre immer angespannter und beunruhigender, als wir langsam durch die Schwiegermutterwitze und die sexistischen Späße dampften. Obwohl man mir geraten hatte, außer Sicht zu bleiben, stand ich weiterhin an Deck und entschloss mich, den üblen Kommentaren zu trotzen, die uns aus dem dichten Laubwerk am Ufer zugerufen wurden. Die beiden käuflichen Damen hatten gar keine Probleme mit den Pöbeleien. Sie hatten offenbar schon weitaus Schlimmeres gehört und teilten ihrerseits kräftig aus, wobei ihre Angriffe auf die männliche Psyche und Potenz weitaus treffender und amüsanter waren als das, was aus der Uferbewaldung herausschallte.
    Zur Mittelstation kamen wir gegen Mittag. Der kleine Handelsposten lag genau dort, wo der Double Entendre und der Innuendo sich treffen. Und obwohl wir schon seit einer ganzen Weile imTerrain der Schlafzimmerkomödien unterwegs waren, wo die Leute ganz retromäßig munter von einem Bett ins andere hüpften, wurde doch immer spürbarer, dass wir uns dem Einfluss der Scharfen Romane näherten. Der erste Teil der Reise war eine vergnügliche Dampferfahrt auf dem Metaphoric gewesen; jetzt wurde allen bewusst, dass uns eine schwierige Aufgabe bevorstand, und ein dumpfes Grübeln breitete sich auf dem Schiff aus.
    Die Ankunft des Dampfers an der Mittelstation war nicht von Lärm begleitet, sondern von plötzlicher Ruhe. Das dauernde Rumpeln und Rauschen des Heckrads und der Maschinen, die uns seit drei Stunden begleitet hatten, verstummten und eine geradezu ohrenbetäubende Stille legte sich über den Fluss. Ich stand auf dem Vordeck, als sich der Dampfer dem Landesteg näherte. Die Mittelstation, ein kleines Städtchen, in dem es normalerweise betriebsam und laut war, schien völlig verlassen. Drake stand neben mir, die Hand am Griff seines schweren Revolvers.
    »Ich gehe an Land und werde das mal überprüfen«, sagte ich. »Aber es wäre besser, wenn Sie hier an Bord blieben.«
    »Da bin ich anderer Ansicht, Miss Next.
Sie
sind diejenige, die hierbleiben wird.«
    Es fiel mir nicht leicht, das zu sagen, aber es schien mir das Beste, nicht drum herumzureden. »Drake«, sagte ich ruhig, aber mit fester Stimme. »Sie sind das Kanonenfutter. Sie sollen ein tragisches, wenn auch heroisches Ende nehmen.«
    Er sah mich einen Augenblick an. »Es ist sehr nett, mich zu warnen, aber ich seh das nicht so.«
    »Sie glauben, es ist jemand anderes?«
    »Ich glaube, das Kanonenfutter sind
Sie
, Thursday.«
    »Nein, bin ich nicht.«
    »Was sind Sie denn dann?«
    »Ich bin die Hochstaplerin.«
    »Sie könnten sowohl die Hochstaplerin sein als auch das Kanonenfutter.«
    »Das würde die Gewerkschaft nicht zulassen.«
    »Sind Sie sich da so sicher?«
    »Hören Sie«, sagte ich. »Darüber können wir noch tagelang streiten, aber die Sache ist die: Sie haben erst heute Morgen Ihr Examen gemacht und sind eine Figur ohne jegliche Vorgeschichte. Ich arbeite schon seit Jahren in der BuchWelt. Was glauben Sie wohl, wer in den nächsten Stunden eher ins Gras beißt?«
    »Vielleicht
denken
Sie ja nur, dass Sie schon seit Jahren in der BuchWelt arbeiten. Vielleicht ist das ja
Ihre
Geschichte.«
    »Okay«, sagte ich. »Wir gehen
beide
da raus. Dann werden wir ja sehen, wer von einem Krokodil gefressen wird oder einen Giftpfeil ins Auge kriegt. Und dann wissen wir auch, wer hier das Opfer ist.« Allmählich wurde ich wütend.
    »Abgemacht.«
    Auch der Rest der Friedensdelegation war inzwischen an Deck gekommen und starrte ebenfalls stumm auf die Mittelstation. Als wir näher glitten, konnte man sehen, dass in der Stadt vor kurzem ein Feuer gewütet hatte. Rauchschwaden, die nach angebrannter Vanillesoße rochen, hingen noch in der Luft. Wir warteten, bis der Dampfer mit einem dumpfen Schlag an den Landesteg stieß. Die Mannschaft vertäute ihn und sprang dann wieder an Bord zurück. Wir sahen zu, wie der Dampfer in der Strömung herumschwang. In der Stadt waren keinerlei Zeichen von Leben erkennbar.
    »Na schön«, sagte Oberst Barksdale nach ein paar Minuten. »Ich habe genug gesehen. Das waren zweifellos Banditen und Irreguläre aus den Scharfen Romanen. Lassen Sie uns tiefer in die Gattung hineinfahren, und dann wollen wir uns diesen Irren mal näher ansehen.«
    »Ehe wir keine Kohlen kriegen, fahren wir nirgendwohin«, sagte der Kapitän.
    Ich ging die Gangway hinunter und trat auf den wackeligen alten Landesteg. Drake wich mir nicht von der Seite.

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