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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Fforde
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Regionalbüro. Für einen Automaten agierte Sprockett recht gut, und wenn man von dem leichten Hinken, seinem leeren Gesicht und dem leisen Summen absah, das alle seine Gedanken und Bewegungen begleitete, wirkte er ziemlich lebensecht. Ich fragte ihn, aus welcher Gattung er stammte, und er sagte: »Vanity Publishing.«
    Sein Buch war der Pilotband einer Serie mit dem Titel
Die Liga der Zahnradmänner,
in der von den Abenteuern einer Gruppe von mechanischen Menschen erzählt wurde, die ein Erfinder aus den ersten Jahren des 20.   Jahrhunderts geschaffen hatte. Offenbar eine Mischung aus
Biggles, The Admirable Crichton
und dem
Jahrbuch des Uhrmacherhandwerks
von 1903.   Sprockett war ursprünglich als Butler gebaut worden, hatte sich aber bald als dynamische Actionmaschine erwiesen. Als ihm die Arbeitslosigkeit drohte, kehrte er in den alten Beruf zurück   – Butler sind weitaus gefragter als Actionhelden.
    »Wie war denn Ihr Buch so?«
    »Uneinheitlich«, erwiderte Sprockett. »Ein schönes Konzept, aber es fehlten die erzählerischen Mittel, um es auch durchzuführen. Leider habe ich zu wenig Gefühl, um als Hauptfigur überzeugen zu können.«
    »Weil Sie als Butler konzipiert worden sind?«
    »Nein, keineswegs. Es liegt daran, dass ich bloß ein Duplex-5 bin. Das Ankerrad für Empathie wurde erst entwickelt, als wir schon in Produktion waren. Ich kann ein paar Gefühle mit meiner Augenbraue anzeigen, aber das ist auch schon alles. Ich erkenne es, wenn Sie Kummer haben, und ich kann mich entsprechend verhalten   – aber ich empfinde selbst nichts und verstehe auch nicht wirklich, was ›Gefühl‹ oder ›fühlen‹ bedeutet.«
    »Aber Sie haben doch sicher die Bedrohung gespürt, als man Sie steinigen wollte, und waren erleichtert, als Sie gerettet wurden?«
    »Ja, aber nur insofern, als ich keine Cocktails mehr hätte servieren können, wenn ich zerstört worden wäre   – und das hätte gegen das Zweite Gesetz der Hausroboter verstoßen.«
    Seine Bücher seien schlecht gedruckt gewesen, erzählte Sprockett,und in siebzehn Jahren kein einziges Mal gelesen worden. Abgesehen von einigen Exemplaren, die an Freunde und Familienmitglieder verteilt worden waren, liege die gesamte Auflage heute in zwanzig Kisten in der Garage des Autors in Cirencester.
    »Und da ist es sehr feucht«, sagte er. »Manchmal wird der Regen unter der Garagentür hereingedrückt, und die Nässe und der Schimmel verderben den Druck   – schauen Sie mal.«
    Er zog eins seiner gestreiften Hosenbeine hoch und zeigte mir einen Ansatz von Grünspan auf seinem ansonsten aus schimmerndem Messing bestehenden Schienbein. Es stand ihm eine lange Reise in die Ungelesenheit bevor. Wenn er nicht in ein anderes Buch übernommen wurde, würde er im Lauf der Jahre immer mehr Grünspan ansetzen und immer unansehnlicher werden, bis das letzte Exemplar seines Buches zerstört war und er sich in nichts auflöste.
    »Wie lebt sich’s denn so in der Vanity?«
    »Darf ich offen sein?«
    »Ich bitte darum.«
    »Wir benutzen den Ausdruck ›Vanity‹ gar nicht mehr. Er klingt so abwertend. Wir sprechen eher von ›Selbstverlag‹ oder ›Verlagskollektiven‹. Sie wären überrascht, wie viel gute Prosa es da gibt, auch wenn das meiste recht uneinheitlich ist.«
    Da hatte er nicht unrecht. Beatrix Potter, Keats und George Elliot waren alle zunächst im Selbstverlag erschienen, und das galt auch für
Alice im Wunderland
. Ich warf einen Blick hinaus zum Vanity Island, das jenseits der Tagebuchklippen lag. Die hochgestapelten Container-Unterkünfte waren sogar von hier aus erkennbar. Die stürmische Meerenge zwischen Vanity Island und dem Festland war voller gefährlicher Strudel, Untiefen und Strömungen. Trotzdem versuchten viele der Inselbewohner die gefährliche Reise ins vermeintliche Schlaraffenland, auch wenn schon viele ertrunken waren und die meisten Ankömmlinge zurückgewiesen werden mussten.
    »Ich würde gern mal da hinausfahren und mir selbst einen Eindruck verschaffen«, sagte ich unsicher.
    Sprocketts Augenbraue zuckte nervös bei dieser Erklärung und zeigte schließlich auf »ziemlich besorgt«.
    »Nein, wirklich«, sagte ich. »Man muss diese Zustände selbst gesehen haben. Was man im
Word
liest, kann man ja gar nicht mehr glauben.«
    Sprockett nickte höflich, aber seine Augenbraue sprach eine deutliche Sprache. Ein ganzes Genre wurde da marginalisiert und ins Abseits gedrängt, direkt vor der Küste der Fiktion. Die »Vanity-Frage« war

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