Wo ist Thursday Next?
nicht, dass Sie einen Butler haben.«
»Jeder braucht einen Butler, Sir.«
»Ich habe damit kein Problem. Ist das ein Duplex-3?«
»Duplex-5, Sir.«
»Die Fünfer haben gelegentlich Ärger gemacht, wenn man sie nicht richtig aufzog. So, und jetzt will ich Sie nicht länger aufhalten. Sie können Lockheed jederzeit anrufen, wenn Sie einen Rat brauchen. Noch Fragen?«
Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte, wann er die reale Thursday das letzte Mal gesehen hätte, unterließ es dann aber. Der rothaarige Gentleman hatte gesagt, ich solle niemandem außer mir selbst trauen, und wer weiß, was er mit der Behauptung gemeint hatte, Thursday werde vermisst. Außerdem wollte ich mich nicht blamieren, falls der Mann in der Straßenbahn tatsächlich bloß ein irrer Mörder war.
»Keine Fragen, Sir.«
»Viel Glück, Miss Next.« Ein halbes Lächeln, dann schüttelte er mir die Hand und verschwand.
»Ich muss auch weg«, sagte Lockheed, gab mir seine Visitenkarte und eine Mappe mit Broschüren über Sicherheit und Gesundheit. »Mr Herring ist ein großer und gütiger Mann. Sie haben Glück, dass Sie dieses Gespräch mit ihm führen durften. Normalerweise spricht er nicht mit Leuten der unteren Kategorien.«
»Ich fühle mich sehr geehrt.«
»Das sollten Sie auch. Ich war drei Jahre lang sein Assistent, ehe er mich zum ersten Mal angeschaut hat. Es war einer der Momentein meinem Leben, auf die ich sehr stolz bin. Das Büro des JVUD ist in Norland Park, wenn Sie mich brauchen.«
Damit marschierte er davon. Begierig, die Gelegenheit zu nutzen, die man mir gerade gegeben hatte, wandte ich meine Aufmerksamkeit den Wrackteilen zu.
Die Trümmer hatten sich offenbar während des Fluges von einem Buch gelöst. Es bestand aber nicht aus Papier und Tinte oder dergleichen, sondern sah aus wie ein Stück von einer Kulisse. Es hingen noch ein paar lose Buchstaben, Wortfetzen und abgerissene Textstrukturen herum, aber der größte Brocken bestand aus kaputten Möbeln und Wänden. Das ganze Gerümpel war auf dem Oberdeck des Parkhauses gelandet und hatte die Asphaltdecke so weit beschädigt, dass man die Wörter und Buchstaben unter der Fahrbahn sah. Das Problem bestand unter anderem darin, dass die Trümmer direkt hinter Lola Vavooms Sportwagen lagen, was den Star daran hinderte, heftig zurückzustoßen, das Geländer auf der anderen Seite zu durchschlagen und dreißig Meter tief in den Tod zu stürzen. Es war immer schon ein
verdächtiger
Unfall gewesen, aber man hatte nie einen Beweis gefunden, dass es kein Unfall war.
»Wird das lange dauern, Darling?«, fragte Lola, die eine hautenge Hose, einen Kaschmirpullover und ein rosa Kopftuch trug. Ihre Augen waren hinter einer riesigen Sonnenbrille verborgen. Sie saß auf dem Kofferraum ihres Delahaye und rauchte lässig eine dünne Sobranie-Zigarette.
»Nur so lange wie nötig«, sagte ich. »Tut mir leid, wenn Sie dadurch aufgehalten werden.«
»Geben Sie sich Mühe, Schätzchen«, sagte sie etwas herablassend, »aber wenn ich nicht bis fünf unter mysteriösen Umständen gestorben bin, gibt’s Ärger.«
Erneut wandte ich mich der abgestürzten Kulisse zu. Es kam durchaus vor, dass ein Buch sich spontan zerlegte. Ein solcher Unfall war nicht allzu häufig, aber gerade deshalb musste jeder einzelne vom JVUD sorgfältig untersucht werden, damit nicht andere Bücher das gleiche Schicksal erlitten. Ein Ensemble von tausendMann zu verlieren war nicht nur eine Tragödie, sondern auch ziemlich teuer. Als sich vor einigen Jahren eine Buchklubausgabe von
Krieg und Frieden
ohne Vorwarnung auflöste, mussten sich die Bewohner im Absturzgebiet noch monatelang Messingknöpfe und lange Abschweifungen aus dem Haar bürsten. Der JVU D-Be auftragte , der den Fall untersuchte, hatte das ganze Buch sorgfältig rekonstruiert und am Ende festgestellt, dass lediglich ein paar Verben viel zu weit hinten in den Sätzen platziert worden waren. Die Reibung an den nachfolgenden Satzgliedern hatte sie überhitzt und sie waren in Brand geraten. Die Satzzeichen-Sperren hatten versagt, wie so häufig, und in einem letzten verzweifelten Versuch, das Buch wieder unter Kontrolle zu bringen, hatten die Bordingenieure mit Hilfe der Einzelband-Notabkoppelung die verschiedenen Teile voneinander getrennt. Im Ansatz nicht schlecht, aber sie hatten das Manöver zu schnell ausgeführt. Die kleineren, aber gewichtigen Epiloge konnten den Kurs nicht mehr rechtzeitig ändern und prallten mit voller Wucht in den vierten
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