Wo ist Thursday Next?
einer Motorradfabrik zu beschreiben. So was macht doch höchstens ein Spinner.«
»Wir müssen immer noch den Titel des Buches ermitteln«, sagte ich, als wir zum Haus zurückgingen. »Wir brauchen die ISBN. Ist der Daumen, den wir gefunden haben, auf Fingerabdrücke untersucht worden?«
»Keine vorhanden.«
»Das ist ärgerlich. Diese abgetrennten Hände, die wir vor ein paar Wochen gefunden haben, waren reichlich mit Fingerabdrücken bestückt.«
»Wie sieht’s mit DN A-Material aus?«, fragte Sprockett.
»DN A-Analysen sind immer noch untersagt«, erklärte ich. »Sie dürfen nur im forensischen Bereich eingesetzt werden, und ihr wisst ja, wie heikel die Krimis mit ihren Methoden sind.«
Das war leider nur allzu wahr. Die Berufsgenossenschaft der Detektive hatte erklärt, dass DN A-Spuren als Beweismaterial in der RealWelt zwar nützlich sein könnten, aber dass solche banalen, hirnlosen wissenschaftlichen Methoden in der schöpferischen Welt des Romans nichts zu suchen hätten. Angesichts der Tatsache, dass die Krimi-Lobby sehr stark war, hatte der GattungsRat schließlich zugestimmt. Und man musste zugeben, dass die Aufklärungsquote nicht wirklich darunter gelitten hatte.
Ich warf einen Blick auf das Read- O-Meter . Zurzeit waren zwölf Leserinnen und Leser mit unserer Serie beschäftigt, und Carmine hatte den Panikknopf noch nicht berührt. Es schien alles prächtig zu laufen. Ich ging nach oben, um ein Bad zu nehmen und mich umzuziehen. Allen sabotierten Büchern, textfressenden Würmern und verschwundenen Jurisfiktion-Agenten und sonstigen Widrigkeiten zum Trotz hatte ich immer noch ein Rendezvous mit Whitby Jett.
Ich versuchte noch einmal persönlich, Thursday im Jurisfiktion-Büro zu erreichen, aber man teilte mir lediglich mit, Thursday sei noch immer dienstlich unterwegs. Ich trocknete mich ab, probierte verschiedene Kleider an, gefiel mir aber in keinem. Ich hatte gerade das sechste wieder beiseitegelegt und suchte nach einem gelben Top, das ich mir gekauft hatte, als ich das letzte Mal in Chicklit war, als ich auf ein altes Foto stieß.
Ich hatte es eigentlich wegwerfen wollen, dann aber doch nur in die hinterste Ecke meiner Kommode verbannt. Es war ein Schnappschuss aus der Vorgeschichte und zeigte Landen und mich auf der Krim, kurz bevor Landen sein Bein und ich meinen Bruder verlor. Es waren glückliche Tage gewesen. Ich starrte das Bild lange an, dann klingelte ich nach Sprockett.
»Ma’am?«
»Ist Whitby schon unten?«
»Ja, Ma’am. Er wartet in der Küche mit einem Blumenstrauß, der nur unwesentlich kleiner ist als das Amazonasbecken.«
»Würden Sie ihm bitte sagen, dass es mir schrecklich leidtut, dass er jetzt aber gehen müsse? Ganz höflich natürlich.«
»Ma’am?«
»Ich muss Carmine im Auge behalten. Es ist ihr erster Tag, und wenn es ein Problem gibt, muss ich ihr helfen.«
»Miss Carmine scheint sehr gut zurechtzukommen, Ma’am, und Mr Jett scheint sich sehr auf einen Abend mit Ihnen zu freuen. Ich glaube, sein Verhalten zeigt alle Merkmale intensiver … Verliebtheit, Ma’am.«
»Sprockett«, sagte ich. »Bitte tun Sie das einfach für mich, ja? Sagen Sie ihm, ich sei beschäftigt und würde ihn morgen zum Lunch treffen.«
»Sehr wohl, Ma’am. Wo wollen Sie sich mit ihm treffen?«
»Sagen Sie ihm, ich rufe ihn an.«
Zwanzig Minuten später ging ich nach unten und sah die Blumen auf dem Garderobentisch liegen. Ich ging direkt weiter in unsere Serie und fand Carmine beim Krocketspielen im
Brunnen der Manuskripte.
Ich teilte ihr mit, dass ich meine Verabredung abgesagthätte und die Rolle jetzt wieder selbst spielen würde. Ich glaube, insgeheim war sie erleichtert.
»Ich hoffe, Sie haben nicht vergessen, dass es heute Abend eine Party im
Castle of Skedann Jiarg
gibt?«, sagte ich. »Die Königin hat gemeint, man könnte jederzeit hereinschauen.«
»Ich glaube, das mach ich«, sagte sie grinsend. »Vielleicht kann ich ja mal einen zwitschern, mich ein bisschen entspannen und einen Kobold abschleppen.«
Ihr Ton gefiel mir überhaupt nicht.
»Nicht, dass ich Vorurteile hätte«, sagte ich. »Oder sagen wir besser: Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich hätte Vorurteile. Aber Kobolde können Sie nicht hier ins Haus bringen. Mal ganz abgesehen von der Frage der Hygiene und dem Problem mit den Diebstählen – aber Pickwick kann ziemlich prüde sein. Sie würde monatelang deswegen plocken, und ich komme sehr gut ohne diese Beschwerden aus.«
Carmine
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