Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Fforde
Vom Netzwerk:
bestand die ganze Umgebung unterhalb der mächtigen Türme nur aus unerforschtem Dschungel. Aber all das war in den neun Minuten des Remakes hinweggefegt worden. Die BuchWelt ist zwar sehr langsam, wenn es darum geht, die Erzähltraditionen fortzuentwickeln und zu verändern, aber wenn es nötig ist, kann sie sich auch blitzschnell erneuern.
    Ich hielt einen Augenblick inne. Es gab herrliche Landschaften in der BuchWelt, man denke nur an den
Herrn der Ringe,
der ganz unabhängig von den großen spannenden Schlachten so wunderbare Täler, Flüsse, Wasserfälle, Bergspitzen, Bäume und Moospolster enthielt, dass die meisten heute vor allem deswegen dorthin reisten und sich ein florierender Tourismus nach Mittelerde entwickelt hatte. Trotzdem war es unmöglich, von der Großen Bibliothek nicht beeindruckt zu sein.
    Ich betrat die Eingangshalle und erwies den Namen auf dem Boojumorial meine Ehrerbietung   – einer großen Marmortafel zur Erinnerung an die Jurisfiktion-Agenten aus der Real- und der BuchWelt, die bei der Verteidigung des geschriebenen Wortes ihr Leben verloren hatten. Ob sie kohlenstoff- oder textbasiert waren, spielte dabei keine Rolle; hier waren sie alle gleich   – das Reale wurde nicht höher bewertet als das Imaginäre.
    Meine Begleiter, die hier wohl öfter vorbeikamen, ignorierten die Ehrentafel der Ausgelöschten vollkommen, entweder aus Gleichgültigkeit oder vielleicht auch aus Gewohnheit. Wir gingen zu der runden zentralen Halle, die sich durch das ganze Gebäude zog, und ich schaute nach oben. Sechsundzwanzig Stockwerke über uns konnte ich gerade noch die gläserne Kuppel erkennen. In der Bibliothek wurde jedes Buch aufbewahrt und verzeichnet, das jemals geschrieben worden war. Theoretisch war die Bibliothek mit ihrem alphabetischen Verzeichnis seit dem Großen Remake gar nicht mehr nötig, aber es hatte sich schon mehrfach ausgezahlt, zur Sicherheit ein Reservesystem zur Verfügung zu haben. Denn irgendwas ging immer schief. Ärgerlich, aber unvermeidlich. Mit all den Leidenschaften, Intrigen und Dramen in der BuchWelt war es ganz unvermeidlich, dass ständig irgendwo Konflikte ausbrachen, die eine Kettenreaktion von unberechenbaren Folgen auslösten. Wenn die BuchWelt ein Buch wäre, würde es sich von selbst schreiben.
    Ich warf einen Blick nach unten, wo sich weitere sechsundzwanzig Stockwerke befanden. Diese Untergeschosse waren der Brunnen der Manuskripte, wo die Bücher zusammengebaut wurden.Selbst von hier oben konnte ich sehen, wie überall kleine Blitzlichter zuckten, wenn ein guter Einfall gezündet hatte. Richtig gute Ideen konnten sogar monatelang leuchten und allen in der Nähe befindlichen Büchern Energie spenden.
    Wir betraten den altmodischen Lift, und ich spürte, wie mich eine unwillkürliche Angst und Erregung erfasste, als das wackelige Fahrzeug sich ächzend nach oben bewegte. Dass ich zu Jobsworth gebracht wurde, konnte die verschiedensten Gründe haben: Bradshaws Plan, mich in die RealWelt zu schicken, das zufällige Zusammentreffen mit dem Senator in Norland Park oder irgendetwas ganz anderes   – ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete.
    Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich, und wir befanden uns mitten im GattungsRat. Eine unübersehbare Masse von Schreibtischen, Büros und Konferenzräumen mit zielstrebig durcheinanderlaufenden Boten, Beamten, Sekretärinnen, Buchhaltern und sonstigen Angestellten erstreckte sich vor uns, die alle bemüht waren, die BuchWelt so gut wie möglich in Gang zu halten. Die Räume des GattungsRats nahmen das ganze oberste Stockwerk der Großen Bibliothek ein, das von drinnen noch weitaus geräumiger schien als von draußen, aber das war nichts Besonderes. In der BuchWelt waren die Dinge nun mal nicht linear oder logisch. Die Vorstellungskraft ist elastisch, und das spiegelte sich auch in den Räumlichkeiten des GattungsRats.
    Ich ging an den riesigen Panoramafenstern vorbei und schaute auf die scheinbar so ordentliche BuchWelt hinunter. Von hier oben konnte man den ganzen Fiktion-Kontinent leicht überblicken, von den Vulkanen im Norden bis nach Vanity Island im Süden. Sogar meine eigene Serie konnte ich als winzigen Schmutzfleck in der Entfernung erkennen. Als ich das letzte Mal von hier oben heruntergeschaut hatte, war Thursday noch meine Lehrerin und das da unten alles noch nebliger Urwald gewesen.
    Ich wurde vom Aussichtsfenster weg und an der Publikumsgalerie des großen Saals vorbeigeführt. Es war gerade eine Sitzung

Weitere Kostenlose Bücher