Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
dann sah er plötzlich eine düstere, riesenhafte Gestalt, und ein erschrockener Schrei entrang sich seiner Kehle. Er wollte davonlaufen, kam jedoch keine zwei Schritte weit, ehe er über eine Baumwurzel stolperte und sich bei seinem Sturz böse das Knie aufschlug.
Dieses Mal schrie er vor Schmerz.
5. KAPITEL
F inja und Sander fuhren auseinander, als sie Linus’ Schrei vernahmen. Sie liefen los und fanden den Fünfjährigen ein Stück weit entfernt, in Tränen aufgelöst und mit einer Schürfwunde am Knie, auf dem Boden kauernd.
“Linus!”, rief Finja und ging neben ihm in die Hocke. “Was ist passiert?”
“Ich bin gefallen!”, krächzte der Junge.
“Aber wieso bist du denn allein? Und …”
“Darüber unterhalten wir uns später”, sagte Sander, hob seinen Neffen kurzerhand hoch und trug ihn zurück zur Lichtung, wo sie auf Susanna stießen.
“Wie konnte so etwas passieren?”, wandte Finja sich wütend an das völlig aufgelöste Kindermädchen. “Wir haben dich engagiert, damit du auf Linus aufpasst und dich um ihn kümmerst, wenn wir nicht da sind!”
Susanna brach in Tränen aus. “Es ist nicht meine Schuld!”, schluchzte sie. “Er sprang plötzlich auf und lief weg. Ich …” Sie schüttelte den Kopf. “Es tut mir so leid!”
“Ist das wahr, Linus? Verdammt, weißt du eigentlich, was für Sorgen wir uns gemacht haben?”
Der Fünfjährige starrte unverwandt zu Boden. Dann wirbelte er plötzlich herum und lief zum Wagen.
Sander warf Finja einen vorwurfsvollen Blick zu. “Meinst du nicht, dass wir uns jetzt erst einmal darum kümmern müssen, dass seine Wunde versorgt wird?”
Finja spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie bereute es inzwischen ja selbst, Linus ausgeschimpft zu haben. Ihr waren einfach die Nerven durchgegangen, weil sie sich solche Sorgen um ihn gemacht hatte. Trotzdem konnte sie ihren Fehler Sander gegenüber nicht so einfach zugeben.
“Ich bin auch nur ein Mensch”, fauchte sie und ließ ihn dann einfach stehen und kehrte zum Wagen zurück.
Sie wollte nicht, dass er ihre Tränen bemerkte.
“Du hast doch selbst gehört, was der Arzt gesagt hat, Finja: Nur eine kleine Schürfwunde, also nichts, was sich mit einem Pflaster und einer Tafel Schokolade nicht aus der Welt schaffen ließe.” Sander blickte über die rechte Schulter und zwinkerte Linus, der auf dem Rücksitz saß, verschwörerisch zu. “Ich finde, du solltest endlich aufhören, deswegen einen solchen Aufstand zu machen. Es ist doch im Grunde überhaupt nichts passiert.”
Sie befanden sich gerade auf dem Rückweg aus dem Ort, wo der Kinderarzt Linus auf Finjas Wunsch hin von Kopf bis Fuß untersucht hatte – und das, obwohl der Fünfjährige, der sich inzwischen vom ersten Schreck erholt hatte, wieder völlig in Ordnung zu sein schien. Doch Finja hatte sich einfach Sorgen gemacht und auf Nummer sicher gehen wollen.
“Du findest also, ich übertreibe?”, fragte sie ein wenig verletzt.
Sander lächelte breit. “Ein ganz klein wenig vielleicht. Vor allem solltest du dir gut überlegen, ob du Susanna ernsthaft kündigen willst. Es wird bestimmt nicht leicht sein, auf die Schnelle ein nettes Kindermädchen für Linus zu bekommen. Und ganz davon abgesehen ist es nicht fair, ihr alleine die Schuld zu geben. Unser kleiner Sprinter hier war einfach zu schnell für Susanna – aber ich bin sicher, dass ihr so etwas nicht noch einmal passieren wird.”
Finja seufzte. So ganz wohl war ihr nicht bei dem Gedanken, Susanna weiterhin die Verantwortung für Linus zu überlassen. Aber sie brauchte ein Kindermädchen, um arbeiten zu können. Und davon abgesehen hatte Sander natürlich recht: Susanna trug maximal eine Teilschuld an dem, was geschehen war. Wenn überhaupt. Denn genauso gut konnte Finja auch sich selbst und Sander die Schuld geben – schließlich hatten sie sich entfernt, obwohl das Ganze eigentlich als gemeinsamer Ausflug geplant gewesen war. Unter diesen Umständen sollte sie eine solche Entscheidung tatsächlich nicht übers Knie brechen.
Darüber dachte Finja nach, als sie die Zufahrtsstraße zu ihrem Elternhaus hinauffuhren. Und so bemerkte sie den fremden Wagen vor der Einfahrt auch erst, als sie Sander leise fluchen hörte.
“Was zum Teufel …?”
“O nein!”, stieß Finja entsetzt aus, als sie seinem Blick folgte und die drei Besucher sah, die vor ihrer Haustür standen. Es waren Sybilla und Mats Bjorkman in Begleitung eines Mannes, den sie nicht kannte. “Was wollen
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