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Wo niemand dich findet

Wo niemand dich findet

Titel: Wo niemand dich findet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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besänftigend hinzu. »Nur fünf, sechs Kilometer.«
    Sie schnaubte und schüttelte seinen Arm ab. Doch dann hob sie eine Ferse zum Po, umfasste ihr Fußgelenk und dehnte ihre Oberschenkel. »Wenn’s gut läuft, schaff’ ich vielleicht zwei Kilometer. Ich bin schon ewig nicht mehr gelaufen.«
    Sie warteten auf eine Lücke im Verkehr, um den Lake Austin Boulevard zu überqueren. Auf dem Gehweg auf der anderen Straßenseite begann er langsam zu traben. Sie lief ebenfalls, und er verlangsamte den Schritt, damit sie zu ihm aufschließen konnte. Sie war eine kleine Frau, beinahe zierlich. Doch das Wort wäre Nathan bei ihr nie in den Sinn gekommen, vermutlich weil er auch ihren Charakter kannte.
    »Wie hältst du dich dann fit?«, fragte er, als sie den asphaltierten Gehweg verließen und in den Kiesweg einbogen, der das Ufer säumte.
    »Wie kommst du darauf, dass ich fit bin?«
    »Das sieht man doch. Außerdem hast du Sportsachen, also tust du wohl auch was.«
    »Ich hab alles Mögliche zum Anziehen«, erwiderte sie. »Könnte doch sein, dass ich mal jemand in einem Fitnessstudio beschatten muss?«

    Doch Nathan war nicht überzeugt. Ihr Atem ging kaum schneller, obwohl sie ein ganz beachtliches Tempo liefen. Er beschleunigte noch etwas und erreichte vor ihr die steinerne Fußgängerbrücke. Radfahrer flitzten an ihnen vorbei. Auf der Autobrücke knapp über ihren Köpfen rauschte der morgendliche Verkehr. Nach der Brücke wandten sie sich nach links auf den Pfad, der am Südufer des Sees entlang führte. Dort trafen sie heute kaum jemand. Anscheinend hatte das kühle feuchte Wetter die meisten gemütlich zu Hause bleiben lassen. Er sah zu Alex.
    »Wie lief dein Verhör?« Nathan hatte den Eindruck, dass in ihrer Frage auch ein schnippischer Unterton mitschwang. Doch womöglich täuschte er sich.
    »Ganz gut.«
    »Hast du das Geständnis bekommen?«
    Entgegen aller Erwartung.
    »Ja.« Wieder blickte er sie an, aber ihre Miene verriet nichts. Er vermutete, dass sie wegen des geplatzten Abendessens noch etwas verstimmt war. Vielleicht sollte er sich darüber freuen?
    Oder vielleicht sollte er zum Arzt gehen. Alex Lovell war nicht der Typ Frau, der herumsaß und wartete, dass ein Mann sie zum Essen einlud.
    Verdammt, er wusste nicht mal, ob sie einen Freund hatte. Womöglich sollte er sie das als Erstes fragen.
    »Wie gehen die Geschäfte?«, fragte er stattdessen.
    »Es ist ziemlich viel los«, sagte sie. »In letzter Zeit bekomme ich eine Menge Aufträge von Versicherungen, wahrscheinlich wegen der aktuellen Wirtschaftskrise. Niemand will mehr was bezahlen.«

    »Du eingeschlossen?«
    Sie schnaubte. »Ich komme schon klar.«
    Davon war er überzeugt. Sie war zäh.
    Im Fall Melanie Coghan hatte sie ihren Geschäftssinn aber wohl ausgeschaltet.
    »Wie ist es bei dir?« Mit einem kleinen Zwischenspurt ließ sie ihn hinter sich, um einem in den Weg ragenden Ast auszuweichen. Als er wieder neben ihr lief, merkte er, dass sie nun ihrerseits das Tempo angezogen hatte.
    »Auch viel zu tun.«
    »In der Zeitung steht viel über Schießereien unter Gangs.«
    »Das auch«, sagte er. »Es gibt momentan viele Revierkämpfe und Auseinandersetzungen wegen geplatzter Drogen-Deals. Vom ganz normalen Mist gar nicht zu reden.«
    »Die Stadt wächst«, meinte sie.
    Aber das war nicht der einzige Grund. Selbst wenn man das Bevölkerungswachstum einkalkulierte, nahm die Kriminalität zu. Das Gangwesen breitete sich aus, und die Mordrate stieg. Die Polizei von Austin stellte beinahe täglich neue Rekruten ein, aber das schien wenig zu nützen. Es gab nicht genügend alte Polizisten wie ihn. Nicht dass er mit seinen achtunddreißig unbedingt alt war, aber draußen auf der Straße brauchten sie einfach mehr erfahrene Leute. Es war fast die Ausnahme, wenn jemand mehr als ein, zwei Dienstjahre auf dem Buckel hatte.
    Natürlich gab es auch gute Tage – Festnahmen, Geständnisse. Die Befriedigung, wenn jemand wirklich vor Gericht gestellt wurde und hinterher ins Gefängnis kam. Aber es gab auch viel Mist – den ewigen Papierkram, die
Galgenvögel, die verhaftet wurden, aber in null Komma nichts wieder auf die Menschheit losgelassen wurden und damit weitermachten, weswegen Nathan sie geschnappt hatte. Bei jeder neuen Verhaftung hatte Nathan das Gefühl, er habe zwar eine Schlacht gewonnen, aber er sei drauf und dran, den Krieg zu verlieren.
    Als sie die zweite Fußgängerbrücke erreicht hatten, war Nathans T-Shirt patschnass, und das nicht wegen

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