Wo niemand dich sieht
mit Jilly geschlafen hast, Paul?«
Ich schwöre, Paul wurde rot bis zum etwas schütteren Haaransatz. »Was soll die Frage, verdammt noch mal? Was geht dich das an, Mac?«
»Jilly hat letzten Februar reichlich aus dem Nähkästchen geplaudert. Sie hat bis dahin noch nie so offen über euer Liebesleben geredet. Jetzt, da ich so drüber nachdenke, finde ich, dass irgendwas nicht mit ihr stimmte. Sie hat über eine Menge Sachen geredet, pausenlos, ist von Thema zu Thema gesprungen, ständig in demselben Tonfall.«
»Was hat sie gesagt, Mac?«
Ich blickte Maggie an. In diesem Moment hätte ich schwören können, dass sie mehr als bloß ein berufliches Interesse an dem hatte, was hier vorging. Aber warum ihr nicht die Einzelheiten erzählen? Ich antwortete: »Sie sprach über ihr neues Kleid, dass Paul andauernd mit ihr schlafen würde, wie sehr sie an ihrem neuen Porsche hänge, und sie sprach über ein Geschwisterpaar, Cal und Cotter Tarcher. All das erzählte sie in demselben, fast emotionslosen Ton. Jetzt, im Rückblick, erscheint es mir schon seltsam.«
Es klingelte an der Tür.
Paul sprang auf. »O Gott, und wenn nun was mit Jilly
ist?«
Er rannte aus dem Wohnzimmer. Maggie wandte sich zu mir: »Sie wollen das jetzt sicher nicht hören, Mac, aber ich muss Ihnen sagen, dass es Gerede gab. Dass es vielleicht nicht nur Paul war, mit dem sie so viel Sex hatte.«
Ich hätte ihr am liebsten eine gelangt. Jilly untreu? Nie und nimmer. Nicht Jilly. Ich hatte keine Zeit, mir Maggie vorzuknöpfen, schon kam Paul wieder zurück. Neben ihm in der Tür erschien ein Mädchen - nein, eine erwachsene Frau -, vielleicht fünfundzwanzig. Sie hatte dickes, lockiges dunkelbraunes Haar, das sie mit zwei Plastikspangen seitlich zurückgesteckt hatte. Ihre Haut war so weiß wie meine Boxershorts, wenn ich sie aus dem Trockner holte. Keine einzige Sommersprosse. Sie trug eine Brille mit runden Gläsern und Goldrand, dazu eine weite, schlabberige Jeans und ein weißes Männerhemd, das ihr bis zu den Knien reichte und das sie an den Unterarmen hochgekrempelt hatte.
»Hallo, Cal«, sagte Maggie und erhob sich zögernd. »Was führt dich hierher?«
Ach du meine Güte. Cal Tarcher, wie sie leibt und lebt. Das Mädchen, das auf alles von Jilly neidisch wäre. Schwester von Cotter, dem Raufbold und Schläger.
Ich sah, wie Cal einen flüchtigen Blick auf Paul warf und dann sagte: »Mein Vater schickt mich. Ich bin froh, dass du da bist, Maggie. Ihr seid alle morgen Abend bei uns eingeladen.« Sie musterte mich. »Sind Sie Jillys Bruder?«
»Ja. Ich bin Ford MacDougal.«
»Ich bin Cal Tarcher. Wie geht es Jilly?«
»Unverändert. Liegt nach wie vor im Koma.«
»Tut mir Leid. Ich war gestern Abend da, um sie zu besuchen. Die Schwester hat gesagt, ich soll mit Jilly reden, über irgendwas - das Wetter, den neuesten Denzel-Washington-Film -, was auch immer. Ach ja, die Party. Werdet ihr kommen? Ihr alle?«
»Aber natürlich kommen wir«, entgegnete Paul mit einer Spur von Ungeduld. »Dein Vater befiehlt, und wir gehorchen.«
»Aber so ist das doch nicht, Paul«, wiegelte Cal ab, ohne einen von uns anzusehen.
Cal starrte über Pauls rechte Schulter auf ein Bild mit zwei diagonalen schwarzen Farbstreifen auf einer grell weißen Leinwand. »Wir machen uns alle Sorgen um Jilly, Paul. Dad hoffte, dass du ein wenig Zeit findest, um zumindest kurz vorbeizuschauen. Er möchte wirklich gerne Jillys Bruder kennen lernen. Maggie, weißt du zufällig, ob Rob heute Nachtdienst hat?«
»Was soll die Frage? Wie kommst du darauf, dass ich seinen Dienstplan auswendig kenne?«
Cal Tarcher zuckte mit den Schultern. »Ihr seid immerhin Berufskollegen.«
»Sicher.«
Cal Tarcher war das alles sichtlich unangenehm, ja peinlich. Was war hier los? Ich kam mir vor, als wäre ich in irgendeinem Theaterstück gelandet, ohne zu wissen, um was es geht. »Ich werde ihn anrufen«, sagte Cal leise. Dann hob sie den Kopf und blickte Maggie direkt ins Gesicht. »Es ist nur so, dass er eher kommt, wenn du ihn bittest. Er tut alles, was du sagst. Du weißt doch, dass er mich nicht mag. Er hält mich für doof.«
»Rede keinen Unsinn«, sagte Paul. »Rob empfindet keine Antipathien für seine Mitmenschen, das würde ihn zu viel mentale Energie kosten, und er muss alles Zusammenhalten, was er davon hat. Ich werde ihn für dich anrufen, in Ordnung?«
»Danke, Paul. Jetzt muss ich noch bei Miss Geraldine vorbeischauen. Sie hatte eine schlimme Erkältung, aber jetzt
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