Wo niemand dich sieht
passiert ist, also sage ich: »Hör mal, Ford, magst du Sex? Ich mochte ihn nie so besonders, aber dann ist was passiert. Etwas Wundervolles.«
Ich frage mich, ob ich jetzt tatsächlich lächle oder nicht. Wahrscheinlich nicht. Ich höre Fords leisen, stetigen Atem. Er ist eingeschlafen. Wieso ist er eingeschlafen? Da fällt mir wieder ein, dass er ja krank war. Hatte er sich nicht irgendwie verletzt? Irgendwas in der Art, glaube ich.
Ich wünschte, ich könnte ihm mit den Fingern durchs Haar streichen. Ford hat wundervolles Haar, dunkel und glänzend und länger, als es dem FBI lieb ist. Aber am meisten mag ich seine Augen. Dunkelblaue Augen, genau wie die von Mutter, zumindest glaube ich das, es ist ja schon so lange her, dass sie tot ist. Tiefgründige, weiche Augen, manchmal mit einem zu intensiven Ausdruck. Mir fällt ein, dass er eine Zeit lang mit einer Frau namens Dolores aus Washington D. C. zusammen war. Jedes Mal, wenn ich ihren Namen hörte, hatte ich eine spanische Flamencotänzerin vor Augen. Ich frage mich, ob es ihr gefiel, mit Ford ins Bett zu gehen.
Aber was macht das schon? Ich liege hier, eine Gefangene in meinem eigenen Körper, und Paul ist frei, kann tun und lassen, was er will. Aber es ist nicht Paul, vor dem ich Angst habe, du meine Güte, nein, Paul doch nicht. Es ist Laura. Sie ist die Gefährliche, oder? Ich weiß, dass sie mich betrogen hat. Sie hat sich in meinen Kopf gedrängt und mich beinahe umgebracht. Ach Ford, ich könnte es nicht ertragen, wenn sie wiederkäme. Dann sterbe ich.
Ich liege hier, ich schwebe im Nichts und denke an Laura. Laura, die mich betrogen hat. Immerzu Laura.
Ich erwachte mit einem Ruck, als mich ein paar Stunden später eine Schwester an der Schulter rüttelte. Ich hob den Kopf, schaute ihr ins Gesicht und sagte: »Immerzu Laura. Laura hat sie betrogen.«
Sie hob die rechte Augenbraue, eine schön geschwungene, rabenschwarze Augenbraue. »Laura? Wer ist Laura? Geht es Ihnen gut?«
Ich blickte Jilly an, die still und bleich dalag, ihre Haut war beinahe durchsichtig. »Mir geht’s gut«, erwiderte ich. Wer war Laura? Ich blickte wieder zur Schwester auf. Sie war ziemlich klein, ein Vögelchen von einer Frau, mit einer süßen, weichen Kinderstimme. Ich nickte ihr zu und sah dann wieder Jilly an, deren Züge im schwachen Licht, das vom Korridor hereinschien, kaum zu erkennen waren. Offenbar war jemand hereingekommen, hatte gesehen, dass ich über Jillys Hand eingeschlafen war und das Licht gelöscht.
»Zeit, sie umzudrehen«, sagte die Schwester leise, »und sie zu massieren, sonst bekommt sie mit der Zeit offene Stellen vom vielen Liegen.«
Ich sah zu, wie sie Jillys Flügelhemd im Rücken öffnete. »Sagen Sie, Schwester, was wissen Sie über Komapatienten? Die Ärzte haben zwar ausführlich mit mir geredet, aber ich weiß eigentlich noch immer nicht, was wir zu erwarten haben.«
Sie begann eine dicke weiße Salbe in Jillys Schultern und Rücken einzumassieren. »Erinnern Sie sich noch an diesen Film mit Steven Segal, in dem er nach sieben Jahren aus einem Koma erwachte?«
Ich nickte und musste daran denken, wie sehr ich Steven Segal als Junge immer bewundert hatte.
Die Schwester fuhr fort: »Er hatte einen langen Bart und war sehr schwach, musste hart trainieren, um wieder zu Kräften zu kommen, was er natürlich klaglos getan hat. Schon nach einer guten Woche ist er wieder quicklebendig rumgesprungen und hat irgendwelchen Bösewichtern was über den Schädel gegeben. Na ja, typisch Hollywood. In Wirklichkeit ist es so, dass, wenn man länger als, sagen wir mal, ein paar Tage im Koma liegt, die Gefahr dramatisch ansteigt, dass man schwere Schäden davonträgt, wenn und falls man überhaupt aufwacht. Tut mir Leid, Ihnen das sagen zu müssen, falls Sie es noch nicht wissen, aber es können alle möglichen Gehirnschäden auftreten - der Patient kann geistig behindert oder gelähmt sein, kann die Fähigkeit zu sprechen verloren haben - alles ist möglich.
Meistens erwachen Patienten ziemlich schnell wieder aus einem Koma und tragen keinen Schaden davon. Falls auch Mrs. Bartlett in den nächsten ein, zwei Tagen aufwacht, stehen ihre Chancen gut, keine schwereren Schäden davonzutragen; es können aber kleinere auftreten. Nun, wir wissen es einfach nicht. Unsere Vermutungen und Prognosen basieren auf Statistiken, aber im Grunde ist jeder Mensch anders. Alles, was wir tun können, ist hoffen und beten.
In Mrs. Bartletts Fall ergaben die Tests keine
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