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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sichtbaren Schäden. Eigentlich sollte sie überhaupt nicht in einem Koma liegen - was nur wieder zeigt, wie viel, beziehungsweise wie wenig, wir über solche Dinge wissen.
    Tut mir Leid, Mr. MacDougal, aber mehr kann ich auch nicht sagen.«
    Sie hatte mir jede Menge Stoff zum Nachdenken gegeben. Ich blieb die ganze Nacht bei Jilly und fuhr erst am Morgen wieder in die Liverpool Street Nummer zwölf zurück. Als ich erneut einschlief, träumte ich von Maggie Sheffield. Sie kreischte Paul an wie eine Furie, nannte ihn einen Bastard und drohte, ihn aus der Stadt zu verjagen.

5
    Als ich am folgenden Morgen gegen zehn in die Auffahrt einbog, sah ich, dass Maggie Sheffields Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte, so wie gestern.
    Als ich leise das Wohnzimmer betrat, sagte sie gerade: »Paul, ich hab auf dem Weg hierher im Krankenhaus angerufen. Mrs. Himmel sagte, es hätte sich leider noch nichts geändert und dass Mac noch immer bei Jilly wäre, dass er die ganze Nacht bei ihr gesessen hätte.«
    Paul stieß ein unbestimmtes Grunzen aus.
    »Mac verbringt scheint’s viel mehr Zeit bei Jilly als du. Wie kommt das?«
    »Fahr zur Hölle.«
    Paul klang nicht sonderlich wütend über eine solche Frage, bloß unglaublich müde. Wenn sie so etwas zu mir gesagt hätte, dann wäre ich, ehrlich gesagt, versucht gewesen, ihr eine zu scheuern. Ich ging ins Wohnzimmer hinein, einen riesigen, lang gestreckten Raum, der die gesamte Vorderseite des Hauses einnahm, die auch dem Meer zugewandt war. Eine Seite bestand nur aus Fenstern; und wo sich Wände nicht vermeiden ließen, waren diese ganz weiß gestrichen. Große, quadratische weiße
    Fliesen bedeckten den Boden; die Möbel waren durchweg schwarz. Der Raum war der Traum eines minimalistischen Designers - keinerlei Kompromisse mit Kitsch und Krams, nirgends lagen Zeitungen oder standen Fotos herum. Bloß diese starren, kalten Linien, bei denen es mir die Zehennägel aufrollte. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, mich gemütlich mit einem guten Buch in diesen Raum zu kuscheln oder einen schönen fetten Fernseher in der Ecke aufzupflanzen, die Füße hochzulegen und mir ein Footballspiel anzusehen. Nein, diesem Designer-Mausoleum ging ich aus dem Weg, wo ich konnte. Ja, Mausoleum war der richtige Ausdruck - ein Schrein, nicht für lebende, sondern für tote Dinge, der Inbegriff von Perfektion - zumindest für einen gewissen Typ Innendekorateur. Selbst die Bilder an den Wänden -es waren ihrer ein Dutzend, natürlich alles abstrakte Gemälde - bestanden ausschließlich aus harten Farbstrichen, hauptsächlich in Schwarz-Weiß. Sie hingen wie perfekte kleine Soldaten an einer langen weißen Wand aufgereiht. Ich fragte mich, wie sich ein Mensch in einer derart sterilen Umgebung wohl fühlen konnte, ganz besonders Jilly. Ich musste an ihr früheres Kinderzimmer denken - es war in Königsblau-, Orange- und Grüntönen gehalten gewesen. Natürlich hatte sie auch Poster von Punk-Rockern an den Wänden gehabt. Menschen veränderten sich mit der Zeit, aber dermaßen stark? Oder war das alles auf Pauls Mist gewachsen?
    Zu Maggie, die auf einer langen schwarzen Ledercouch saß, einen Notizblock auf dem Schoß, sagte ich: »Sheriff, ich hoffe, es geht Ihnen gut.« Sie trug wieder ihre beige Sheriffuniform, dazu Turnschuhe. Nur für einen Augenblick sah ich sie ohne diese Uniform, so wie letzte Nacht in meinem Traum. Sie hatte die Haare streng aus dem Gesicht gekämmt und mit einem von diesen Dingern, die
    Sherlock als Bananenspange bezeichnete, am Hinterkopf festgesteckt. Sherlock verfügte über eine ganze Batterie von diesen Apparaten, in sämtlichen Farben.
    »Mac«, sagte sie und erhob sich. »Mir geht’s gut. Wie geht’s Jilly?«
    »Immer noch das Gleiche.«
    »Tut mir Leid. Und wie fühlen Sie sich?«
    »Prima. Null Problemo.«
    «Sie sehen besser aus, nicht mehr ganz sosehr wie ein Leichentuch. Kommen Sie, setzen Sie sich, Mac. Ich muss bloß noch ein paar Dinge mit Paul klären.«
    Paul hatte sich nicht gerührt. Er saß vorgebeugt in einem tiefen schwarzen Sessel, die Hände zwischen die Knie geklemmt. Er schien eine weiße Fliese zu seinen Füßen zu studieren. »Da ist ein kleiner Kratzer«, sagte er.
    »Ein Kratzer? Was für ein Kratzer?«, erkundigte sich Maggie.
    »Da«, erklärte Paul. »Da in der rechten oberen Ecke. Ich frag mich, wie das passiert ist.«
    »Ich sag dir was, Paul«, mischte ich mich vollkommen ernst ein, »ich besorg einen Stapel

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