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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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angerufen und berichtet, dass Charlie Duck einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen hat. Gott sei Dank wohnt er direkt neben dem Doe. Es ist ihm gelungen, noch zu ihm rüberzukriechen, bevor er bewusstlos zusammenbrach. Der Docsagt, es sehe nicht gut aus. Ich fahre gleich hin.«
    »Das ist doch der nette alte Kerl, den ich gestern im >Edwardian< kennen gelernt hab. Ich weiß noch, dass er mit mir reden wollte. Wer würde ihm eins über den Schädel geben? Herrgott noch mal, Maggie, das macht doch überhaupt keinen Sinn.«
    »Finde ich auch. Ich muss weg. Bis später.«
    Ich hoffte, dass es der Alte überstehen würde, was bei schweren Kopfverletzungen leider nur selten der Fall war. Ich fragte mich, worüber er mit mir hatte reden wollen. Ich fragte mich, wer einen Grund hätte, ihm eins über den Schädel zu geben.

6
    Ich holte zwei Sandwiches bei Grace’s Deli in der Fifth Avenue und brachte sie zurück in die Liverpool Street. Dann holte ich Paul aus seinem Labor, und wir setzten uns zu einem kalten Mittagessen an den Tisch. Es war ungefähr halb eins.
    Paul stellte zwei Dosen Bier für uns beide auf den Tisch. »Ich hab fast gar nichts geschafft«, klagte er beim Hinsetzen. »Irgendwie kann ich mich überhaupt nicht konzentrieren, nicht mal auf die lächerlichsten Probleme.« Er wickelte die Alufolie von seinem Sandwich. »Ah, halbrohes Roastbeef, das mag ich am liebsten. Woher wusstest du das, Mac?«
    »Mir fiel ein, wie Jilly es vor einiger Zeit mal erwähnt hat. Sie sagte, du würdest es gerne halbroh essen, mit tonnenweise Mayonnaise. Die Dame im Deli wusste sofort Bescheid.«
    Paul wurde einen Moment lang ganz still. Dann sagte er: »Ich kann nicht fassen, dass Jilly nicht da ist und mich schimpft, weil ich irgendwas vergessen hab, um das sie mich gebeten hatte, oder mich anfaucht, ich soll sie in Ruhe lassen, weil sie arbeiten muss. Und wer sagt, dass ihre Arbeit weniger wichtig wäre als meine? Manchmal hat sie mich angeblafft, und in der nächsten Minute schon hat sie wieder gelacht und mich ins Ohrläppchen gebissen. Herrgott, Mac, das alles ist verdammt hart.«
    »Paul, wer ist Laura?«
    Ich dachte, jetzt kriegt er gleich einen Herzanfall. Seine Hand zuckte, und er schüttete sich Bier über den Handrücken und das Handgelenk. Er fluchte nicht, sagte überhaupt nichts, schaute bloß das Bier an, das von seiner Hand auf die polierte Platte des Mahagonitischs tropfte.
    Ich reichte ihm seine Papierserviette. Als er mit Aufwischen fertig war, wiederholte ich: »Paul, erzähl mir von Laura. Wer ist sie?«
    Paul biss von seinem Sandwich ab, kaute langsam, blickte mich dabei nicht an, kaute nur. Er schluckte, nahm einen tiefen Schluck Bier und murmelte schließlich: »Laura? Es gibt keine Laura.«
    Paul Bartlett war sechsunddreißig, dürr wie ein Spazierstock und liebte peppige Kleidung - heute trug er ein dunkelgrünes Ralph-Lauren-T-Shirt, dazu khakifarbene Gabardinehosen und leichte italienische Halbschuhe mit kleinen Quasten daran.
    Er ist ein Genie, hatte Jilly immer behauptet, einfach ein Genie. Nun ja, das konnte ja sein, aber ein lausiger Lügner war er trotzdem. Ich hatte nicht die Absicht, ihm das durchgehen zu lassen. »Laura, Paul. Erzähl mir von ihr. Es ist wichtig.«
    »Wieso sollte Laura so wichtig sein? Woher weißt du überhaupt ihren Namen, verflucht noch mal?«
    »Hab ihn von Jilly gehört«, entgegnete ich. Ich hatte nicht die Absicht, auszuplaudern, dass ich plötzlich im Krankenhaus aufgeschreckt war, den Kopf auf Jillys Hand und Lauras Namen auf den Lippen. Das hätte zu verrückt geklungen. Ich lehnte mich zurück und fügte lässig hinzu: »Sie hat Lauras Namen mal erwähnt. Hat nichts weiter über sie gesagt« - bloß, dass Laura sie betrogen hatte - »nur ihren Namen.«
    Täuschte ich mich oder sah Paul erleichtert aus? Da wurde mir klar, dass ich es vermasselt hatte. Ich hätte ihm nie sagen dürfen, dass der Name der Frau alles war, was ich über sie wusste. Ich war ein richtiger Idiot. Und ich sollte das Lügen und Bluffen doch wahrhaft gelernt haben! Nein, ich war ganz und gar nicht auf der Höhe. Aber wieso hatte Paul das Gefühl, mich anlügen zu müssen?
    Da wurde mir auf einmal klar, was Jilly gemeint hatte. Laura hatte sie mit ihrem Mann Paul betrogen.
    Paul biss noch einmal von seinem Sandwich ab. An den Seiten quoll ein wenig Mayonnaise heraus und tropfte auf seine Serviette. Er kaute bedächtig, wollte offensichtlich Zeit gewinnen, ein alter Trick, der nicht nur

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