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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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zu trinken und streichelte dann mit den Fingerknöcheln über ihre zarte Wange. »Ich war dabei, Jilly. Ich war dabei, als du über diese Klippen gerast bist, als du im Wasser aufschlugst. Ich hab diesen mächtigen Aufprall gespürt.«
    Sie sagte nichts, starrte mich nur an.
    »Ich war ebenfalls im Krankenhaus, weißt du noch?«
    Sie nickte. »Diese Autobombe in Tunesien.«
    »Genau. Dieser Traum oder diese Vision, was auch immer, war jedenfalls schrecklich real. Ich fuhr aus dem Schlaf hoch und kriegte plötzlich keine Luft mehr. Ich hatte eine Scheißangst, ehrlich, Jilly. Was ich mir einfach nicht erklären kann, ist, wieso ich auf einmal diese Verbindung mit dir hatte. Wie hast du das geschafft? Hast du an mich gedacht oder was?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das erzählst du zum zweiten Mal, Ford. Ich hab dich beim ersten Mal klar und deutlich gehört. Du glaubst mir doch, oder?«
    »Sicher glaub ich dir. Ich wär ja ziemlich blöd, wenn ich’s nicht täte, da ich ja mit dir in diesem beschissenen Porsche saß, als du ins Meer gerast bist.«
    »Das ist alles schrecklich verwirrend, Ford.«
    »Jilly, sag mir die Wahrheit. Hast du dabei an Laura gedacht?«
    Ich dachte, jetzt fällt sie mir gleich in Ohnmacht. Sie wurde kalkweiß, rang nach Luft und schlug mit dem Kopf hin und her. »Du hast sie hergebracht. Sie war bei dir. Ich hab sie ebenso deutlich gesehen wie dich. Niemand sonst, Ford, bloß dich. Und dann Laura, als sie neben dir stand, ganz deutlich. Und dann hab ich angefangen zu schreien...«
    »Und bist schreiend aus dem Koma aufgewacht«, ergänzte ich langsam, ihr Gesicht nicht aus den Augen lassend. »Du hast Laura gesehen und konntest nicht ertragen, dass sie da war, und dann bist du aufgewacht. Hat sie dich aus dem Koma gerissen?«
    Ich glaubte schon, sie würde mir nicht antworten, dann flüsterte sie: »Ich musste weg von ihr, das ist alles, was ich weiß. Ich konnte einfach nicht fassen, dass sie noch immer da war. Was wolltest du mit ihr?«
    Nur die Wahrheit, dachte ich, aber was ist die Wahrheit? Ich schwamm in einem Gespinst aus Lügen, und es war schwer zu erkennen, wo die Wahrheit lag. Das Einzige, was ich ihr sagen konnte, war, wie ich die Dinge erlebt hatte. »Als ich gestern hier war, bin ich an deinem Bett eingeschlafen, während ich noch deine Hand hielt.«
    »Ich weiß. Ich hab dich gesehen.«
    »Darüber können wir später mehr reden. Ich bin jäh aufgewacht und hab gehört, wie du sagtest, Laura hätte dich betrogen. Gestern beim Abendessen hab ich Paul dann auf Laura angesprochen, hab ihm gesagt, du hättest mir von ihr erzählt. Es dauerte eine Weile, aber schließlich gab er zu, dass er ein Verhältnis mit ihr gehabt hat - nachdem er endlich eingestanden hatte, dass es sie überhaupt gibt. Er sagte, er hätte längst Schluss gemacht, dass es nicht wichtig gewesen wäre. Er glaubte nicht, dass du überhaupt davon gewusst hast. Aber ich wusste, dass du zumindest ihren Namen gehört hast. Also wollte ich sie kennen lernen und bin zur Stadtbibliothek nach Salem gefahren.«
    Jilly fing plötzlich an zu keuchen. Sie rang nach Luft. »Ford, du musst mir glauben. Halt dich von ihr fern. Sie ist äußerst gefährlich.«
    Aber ich dachte mir bloß: Einen ungefährlicheren Menschen als sie kann ich mir nicht denken. Was ging hier vor?
    »Hat sie mit Paul geschlafen?«
    Jilly schüttelte den Kopf. Sie war so bleich, dass ich dachte, sie würde gleich in Ohnmacht fallen. Dann nickte sie. War das ein Ja oder bloß ein Ausdruck ihrer Verwirrung? Auf jeden Fall war sie vollkommen außer sich und total erschöpft. Ich beschloss, sie jetzt in Ruhe zu lassen. Ich tätschelte ihr die Hand und zog ihre dünne Bettdecke hoch. Als ich aufstand, krachten meine Gelenke. »Du bist total erschöpft. Es ist sehr spät. Ich lass dich jetzt schlafen. Ich hole nur rasch die Schwester.«
    Ich blieb einen Moment lang an ihrem Bett stehen und beobachtete sie, sah, wie die Erschöpfung sie wie eine Flutwelle erfasste und mit sich riss. Die Schwester konnte warten. All meine Fragen konnten warten. Sie brauchte Schlaf. Ich wandte mich um, um Schwester Himmel zu suchen, doch die stand bereits in der offenen Tür.
    »Keine Sorge, ich werde sie nicht mehr wecken. Darum wollten Sie mich doch bitten, nicht?«
    Ich nickte und trat zurück, um sie hereinzulassen. Ich mochte Schwester Himmel. Sie war klein und kompakt wie eine Hummel und sie war immer nett zu mir und Jilly. Mrs. Himmel hätte mir auch ein Bier gebracht wie

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