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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sah ihr nach, bis ihr Toyota die Parkplatzschranke passiert hatte und in der schwarzen Nacht verschwand.
    Als ich zurückkam, saß Paul allein an Jillys Bett und hielt ihre Hand. »Ich wünschte, sie hätten sie nicht wieder einschlafen lassen«, sagte er ängstlich. »Mir kommt’s vor, als läge sie wieder im Koma. Als wäre sie wieder weg. Es ist mir egal, was Dr. Coates sagt. Ich glaube nicht, dass die überhaupt was wissen. Warum hast du sie nicht aufgehalten, Mac?«
    »Sie hatte mörderische Kopfschmerzen, Paul. Die haben nicht erwartet, dass sie so schnell wieder einschlafen würde, aber Dr. Coates sagte, das wäre kein Grund zur Sorge. Die werden sowieso mitten in der Nacht wieder auftauchen und ihr eine Spritze in den Hintern geben oder so was in der Art.«
    »Ja, du hast Recht«, sagte Paul und blickte zu mir auf. »Du kennst dich schließlich aus, nicht? Wie lang hast du in diesem Marinehospital in Bethesda gelegen? Zwei, drei Wochen?«
    »Zu lange jedenfalls«, entgegnete ich ausweichend. Ich wusste sehr genau, wie lange: exakt achtzehn Tage und acht Stunden. »Ich will nicht dran denken. Jilly ist jetzt wieder wach, Paul. Alles wird gut.« Er sah so erbärmlich hoffnungsvoll aus, dass ich unwillkürlich meine Hand auf seine Schulter legte und sie tröstend drückte. »Jilly ist wieder bei uns. Sie wird uns ganz genau sagen, was geschehen ist. Es ist vorbei, Paul.« Er sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, ihn jetzt wegen Laura zu grillen.
    »Na, du siehst selbst ganz schön kaputt aus, Mac. War ein langer Tag. Du hast dich einfach überfordert. Wieso lässt du dich nicht von einem Arzt anschauen?«
    Das lehnte ich ab und schickte Paul nach Hause. Er sah aus, als würde er gleich umkippen. Ich würde ihn mir morgen zur Brust nehmen. Ich wollte was über diese verdammte Party Dienstagabend erfahren, den Abend, an dem die Sache mit Jilly passiert war.
    Dann wurde mir klar, dass ich im Moment gar nicht mehr zu wissen brauchte. Wen kümmerte es, was Paul, was Laura mir gesagt hatte? Es war scheißegal. Jilly hatte es überstanden. Sie war der einzige Grund, warum ich hier war.
    Ich war so müde, dass mir die Augen brannten, aber ich konnte dennoch nicht schlafen. Ich war viel zu rastlos. Schließlich begann ich, die Korridore zu durchstreifen wie ein Krankenhausgeist und in jedes Zimmer zu spähen, das Fenster hatte, ausgenommen den Leichenkeller. Mit Leichen hatte ich’s nie gern zu tun gehabt und im Moment schon gar nicht.
    Kurz nach ein Uhr morgens kehrte ich wieder zu Jilly ins Zimmer zurück. Ich war immer noch hellwach, immer noch rastlos. Ich setzte mich an den kleinen Tisch am Fenster, holte mein Notizbuch hervor und begann zu schreiben. Ich notierte, was die Leute mir gesagt hatten. Ich notierte einige der Fragen, die mir im Kopf herumgeisterten.
    Schließlich legte ich kopfschüttelnd den Stift beiseite. Was ich da las, klang ja wie ein Entwurf für eine Soap. Hat Jilly mit anderen Männern geschlafen? Wer ist Laura Scott wirklich?
    Dann schrieb ich noch eine letzte Frage nieder: Jilly ist aus dem Koma erwacht. Was zum Teufel mach ich dann noch hier?
    Als Jilly um zwei Uhr aufwachte, befand ich mich in einer Art Dämmerzustand, weder richtig wach noch schlafend. Meine Rippen schmerzten von der unbequemen Haltung in dem großen, weichen Sessel, den ich aus einem Arztzimmer geklaut und neben Jillys Bett geschoben hatte. Ich hielt ihre Hand.
    »Ford?«
    Das war ihre Stimme, aber sie klang alt und zittrig, als könne sie sich beim leisesten Windhauch auflösen. Als sie erneut sprach, merkte ich, dass auch sie gehört hatte, wie schwach diese Stimme klang und sich sichtlich zusammenriss. »Ford?«
    Ich grinste sie breit an, wobei ich mir nicht sicher war, ob sie es überhaupt sehen konnte, denn im Zimmer brannte nur eine heruntergedrehte Lampe, weit weg in der anderen Ecke. Ich selbst konnte Jilly gut sehen, weil meine Augen an die schwache Beleuchtung gewöhnt waren. »Grüß dich, Schätzchen.« Ich drückte ihre Hand, beugte mich vor und küsste sie auf die Stirn.
    »Du bist bei mir geblieben?«
    »Ja. Paul hat ausgesehen, als würde er gleich umkippen, also hab ich ihn heimgeschickt. Soll ich die Schwester rufen?«
    »Nein, nein, ich will bloß hier liegen und spüren, dass ich am Leben bin. Kann’s noch immer nicht ganz glauben. Die Kopfschmerzen sind weg. Ich fühl mich nur ziemlich schwach, nichts weiter.«
    Ich gab ihr etwas Wasser

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