Wo nur die Liebe Zählt: Die Creeds (German Edition)
und einen feineren Menschen kann man sich nicht vorstellen. Von meinem Henry mal abgesehen natürlich.“
Tricias Mundwinkel zuckten. „Natürlich.“
Ihr Urgroßvater Henry McCall war schon seit Jahrzehnten tot. Doch dank Natty lebte diese Legende eines Mannes und Gatten weiter. Ihr einziges Kind Walter war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, zusammen mit seiner Frau, als Joe noch zur Highschool gegangen war.
Tricias Vater war im Jahr darauf aufs College gegangen und hatte anschließend seine Zeit in der Armee gedient. Kurz nach seiner Entlassung hatte er Tricias Mutter geheiratet und war nach Seattle gezogen, um sich dort ein Leben aufzubauen, während die noch immer rüstige Natty für ihn das Autokino und den Campingplatz betrieben hatte. Nach der Scheidung war Joe in seine Heimat zurückgekehrt und hatte auf Drängen seiner Großmutter den zweiten Stock ihres Hauses als Wohnung ausgebaut. Dort hatte er bis zu seinem Tod vor zwei Jahren gelebt.
„Gute Nacht, Tricia“, sagte Natty und stellte die Tasse behutsam neben die Spüle. „Schlaf gut.“
„Gute Nacht.“ Tricia fühlte sich, als hätten sie und ihre Urgroßmutter einen freundschaftlichen Kampf ausgetragen, aus dem Natty als Gewinnerin hervorgegangen war.
Aber das war natürlich albern.
In der Gemeindehausküche duftete es nach würzigem Chili und frischem Kaffee, als Tricia, Sasha und ihr Ehrengast Natty McCall am nächsten Morgen durch die Hintertür hereinkamen.
Die Nachtschicht bestand aus drei Frauen, die neben den köchelnden Kesseln gewacht hatten. Sie reagierten mit Begeisterung auf Nattys Erscheinen und ließen ihr nicht einmalZeit, den maßgeschneiderten schwarzen Mantel auszuziehen, bevor sie die alte Dame umarmten und ihr sagten, wie sehr sie sie vermisst hatten. Dabei sprachen alle gleichzeitig durcheinander. Schon jetzt, berichtete eine Frau, überstiegen die Einnahmen die des Vorjahrs. Die Leute wären meilenweit gefahren, um Nattys berühmtes Chili zu probieren, und auch der Verkauf der gespendeten Waren lief besser denn je. Die schicken neuen Uniformen für die Marching Band der Highschool wären schon so gut wie bestellt.
„Sehr ihr?“ Nattys Wangen waren gerötet, und ihre Augen glänzten, als Tricia ihr aus dem Mantel half. „Ich habe euch doch gesagt, dass die Welt nicht untergeht, nur weil ich den Vorsitz des Komitees abgebe, oder?“
Sasha nahm Tricia den Mantel ab und hängte ihn in den Schrank im Lagerraum. „Draußen warten mindestens fünfzig Millionen Leute“, sagte sie, als sie zurückkam. „ Schon wieder . Ich kann mir nicht vorstellen, wo die herkommen.“
„Von überall her“, erklärte Natty dem Kind, nachdem sie Tricia zugezwinkert hatte. „Henry McCalls geheimes Chilirezept lockt Feinschmecker aus ganz Amerika und Kanada zu uns.“
Das ist vielleicht ein wenig übertrieben, dachte Tricia. Aber tatsächlich hätte Natty in all den Jahren ihr Rezept mehrfach verkaufen können, und zwar nicht nur an zwei Lebensmittelfabrikanten, sondern auch an eine sehr bekannte Restaurantkette. Tricia hatte die Briefe mit eigenen Augen gesehen.
Jemand brachte Natty, als sie sich an dem langen Küchentisch niedergelassen hatte, eine Tasse Kaffee. Evelyn öffnete die Tür einen Spalt und spähte hindurch. Angesichts der Menschenmenge, die bereits wartete, schnalzte sie mit der Zunge.
„Gar nicht auszudenken, was hier ohne all die Sonntagsgottesdienste los wäre. Wir bräuchten ein Polizeikommando zur Sicherheit oder gleich die National Guard.“
Natty und ihre Freundinnen glucksten fröhlich. Sie alle waren treue Mitglieder der verschiedenen Kirchen, doch am Wochenende des Spendenbasars zählten sie darauf, dass Gott sie schon verstand, und setzten einen Sonntag aus.
„Gut, dass der Basar heute nur noch den halben Tag läuft“, sagte eine der Frauen und unterdrückte ein Gähnen. „Wir werden auch nicht jünger, meine Damen.“
„Jünger?“ In diesem Moment stürmte Carolyn durch die Hintertür. „Wer wird nicht jünger?“, fragte sie fröhlich.
„Nun“, erwiderte Evelyn. „Du und Tricia vielleicht schon. Am besten solltet künftig ihr das größte Ereignis des Jahres organisieren, damit wir alten Ladys Nattys Beispiel folgen und die Füße hochlegen.“
„Ihr würdet den Basar doch viel zu sehr vermissen“, erwiderte Carolyn.
Natty blickte auf die Wanduhr über der gigantischen Kaffeemaschine. „Es ist fast Zeit, die wilde Horde hereinzulassen.“
Evelyn tuschelte: „Es wird sie schon
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