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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathryn Constable
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»Also, wir müssen das mal logisch angehen«, sagte sie. »Kann es sein, dass sie einfach vergessen haben uns zu informieren? Miss Ellis war doch ziemlich gestresst, oder?«
    » Biiilll-jett! « Der Schaffner, ein kleiner, drahtiger Mann mit einer Schirmmütze auf dem Hinterkopf, zog den Vorhang auf. Dann stand er in der Tür und hielt die Hand hin. Die Mädchen rührten sich nicht. Er lächelte und wiederholte etwas lauter: » Biiilll-jett! «
    »Was will er denn?«, fragte Marianne.
    Darauf sagte der Mann: »Ti-kitts!«
    Sophie gab ihm ihres. Der Schaffner warf einen Blick darauf und stieß einen kehligen Laut aus. Kopfschüttelnd brummte er vor sich hin. Dann zuckte er die Schultern, prüfte die Fahrkarten von Marianne und Delphine und ging wieder hinaus. Sie hörten ihn noch eine Weile den Gang entlanggehen und » Biiilll-jett! « rufen.
    »Wenigstens haben wir jetzt ein neues Wort gelernt«, sagte Marianne, während sie ihr Ticket zusammenfaltete und in die Tasche steckte.
    »Wieso hat er so überrascht ausgesehen?«, fragte Sophie und starrte auf ihre Fahrkarte, als könne sie plötzlich Russisch lesen und des Rätsels Lösung stünde auf dem Papier. »Was hat das zu bedeuten?«
    Sie sollten es nur zu bald erfahren.
    Nach kurzer Zeit tauchte der Schaffner wieder auf, nahm ihr Gepäck hoch und bugsierte es in den Gang hinaus.
    Marianne sagte: »Was macht der denn da? Warum nimmt er unser Gepäck?«
    Delphine zupfte den Schaffner am Ärmel. »Lassen Sie meine Sachen in Ruhe!«
    Der Mann ignorierte sie. Obwohl er so klein war, schien er Übung darin zu haben, Fahrgäste ohne Umstände aus dem Zug zu werfen. Und zwar zack, zack!
    Sophie und Marianne ließen sich widerstandslos zur Tür scheuchen. Aber Delphine blieb sitzen. Mit verschränkten Armen und übereinandergeschlagenen Beinen saß sie da und starrte geradeaus vor sich hin. Der Schaffner packte sie an den Schultern. Delphine schüttelte ihn ab. Er packte sie noch fester und Sophie sah, wie sie zusammenzuckte.
    »Komm schon, Delphine«, flüsterte sie. »Das nützt doch nichts.«
    Delphine verzog ihren Mund zu einem dünnen Strich, als der Schaffner sie aus dem Abteil hinausschubste. Aber ihr grimmiges Gesicht, ihre wilde Entschlossenheit waren nur Schau. Die ganze Episode entwickelte eine unausweichliche Eigendynamik, als ob sie sich in einem Traum bewegten.
    Der Zug fuhr jetzt langsamer und der Schaffner riss die Tür auf. Schnee wirbelte in den Zug herein.
    »Das muss ein Irrtum sein!«, rief Sophie verzweifelt.
    Der Schaffner zuckte die Schultern. »Vielleicht Fehler auf Ti-kitt!«, sagte er. »Kein Bahnhof. Nur alter Bahnsteig. Aber ihr aussteigen, wo Ti-kitt sagt.«
    Unbeirrt warf er Sophies Rucksack in die Nacht hinaus und stemmte dann den ersten von Delphines Koffern mit zwei Händen hoch.
    Das brachte Delphine auf Trab. In wütendem Französisch schrie sie den Schaffner an, dass er gefälligst den Koffer loslassen solle. »Ich bringe Sie eigenhändig um, wenn Sie noch mal meine Sachen antatschen«, brüllte sie. Aber es nützte nichts, und als die Koffer dann in die Nacht hinausflogen, schrie sie verzweifelt auf: »Mes vêtements!«, quetschte sich an den anderen vorbei und sprang aus dem Zug.
    Die Bremsen quietschten und der Schaffner brüllte: » Uiditje! «
    Marianne drehte mühsam ihren Kopf herum, als sei er mit Zement gefüllt: »Was hat er gesagt?«
    Ihre Stimme drang wie aus weiter Ferne an Sophies Ohren, wie durch eine dicke Glasscheibe. Und als Sophie den Mund öffnete und redete, wusste sie nicht, ob Marianne sie auch hören konnte.
    Der Mann bellte: » Won! Raus!«
    Mariannes Koffer flogen ebenfalls in den Schnee. Dann packte der Schaffner mit seiner kleinen weißen Hand Mariannes Arm, als wolle er sie hinterherwerfen.
    Völlig kopflos vor Angst sprangen die beiden Mädchen in die Dunkelheit und in den wirbelnden Schnee hinunter. Sie landeten auf einem schmalen Bahnsteig, der ganz unter dem Schnee begraben war.

Sophie und Marianne klammerten sich Hilfe suchend aneinander, als die Lichter des Zugs in der Ferne verschwammen. Der Wind schnitt ihnen in die Finger und ins Gesicht und brauste ihnen in den Ohren. Und der Schnee trieb ihnen Tränen in die Augen.
    Sie standen mitten im Nirgendwo. Das hier war nicht mal ein richtiger Bahnhof. Wie konnte der Schaffner sie einfach aus dem Zug werfen, obwohl hier weit und breit keine menschliche Behausung zu sehen war?
    Delphine war verschwunden. Spurlos, als sei sie ins Nichts gesprungen, in eine

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