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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathryn Constable
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Boden hoch und holte den altmodischen hölzernen Griffelkasten hervor. Sie streifte den Diamantring von ihrem Finger ab und legte ihn hinein. Hier drin war er viel besser aufgehoben. Ein Diamantring. Unglaublich, dass die Prinzessin ihr den Ring wirklich geschenkt hatte! Wie wertlos der Glasanhänger von ihrem Vater daneben aussah. Er war viel zu groß und funkelte nicht, so wie der kunstvoll gefasste Ring der Prinzessin mit seinem Gesprenkel von winzigen Diamantsplittern um den großen Stein in der Mitte. Zum ersten Mal in ihrem Leben fragte sich Sophie, woher der Anhänger stammte und warum ihr Vater so einen billigen Klunker aufgehoben hatte – obwohl ihr der Gedanke fast wie Verrat vorkam.
    Behutsam nahm sie den Glastropfen heraus und legte ihn in ihren Handteller, und dann, aus einem plötzlichen Impuls heraus, schlang sie ihn um ihren Hals und versteckte ihn unter ihrem Nachthemd. Er fühlte sich kühl auf ihrer Haut an und die Schnur kitzelte sie im Nacken. Trotzdem trug sie lieber den Glastropfen um den Hals als den Diamantring der Prinzessin an ihrem Finger. Irgendwie gehörte er zu ihr, weil er sie mit ihrem Vater verband. Der Anhänger mochte wertlos sein, aber ihr Vater hatte ihn ihr mit Liebe gegeben. Und das Geschenk der Prinzessin war eher bedrückend. Als ob sie etwas dafür erwartete.
    Der Mond kam jetzt heraus und zauberte ein schimmerndes weißes Rechteck auf den Boden. Der Schneesturm war vorbei. Sophie schlüpfte aus dem Bett und ging auf Zehenspitzen ans Fenster. Sie schaute auf die Statuen hinunter, die so aussahen, als würden sie auf ihre Erschießung warten, weil sie zum Schutz gegen die Kälte mit Sackleinwand verschnürt waren. Und dahinter sah sie den Volkonski-Wald, der sich in die Ferne erstreckte, so weit das Auge reichte.
    Dorthin also war die letzte Volkonski-Prinzessin mit ihrem Kind geflohen, in jener schrecklichen Nacht, in der ihr Mann gestorben war. Wie hatte sie nur den Mut aufgebracht, ihr Zuhause zu verlassen und in eine gefährliche, ungewisse Zukunft zu fliehen? Aber sie hatte es für ihr Kind getan. Der Prinz und seine tapfere junge Frau hatten alles geopfert, um das Leben ihres Kindes zu retten.
    Während Sophie auf die Bäume hinunterschaute und überlegte, welchen Weg die Prinzessin genommen hatte, fiel ihr Blick auf eine einzelne schneebedeckte Statue am Waldrand. Wie seltsam, dass sie so ganz alleine stand. Sophie hauchte auf die Scheibe und wischte die Eisblumen weg. Was in aller Welt sollte das sein? Ein Löwe, der auf den Hinterbeinen hockte? Nein. Nicht groß genug für einen Löwen und der Kopf hatte die falsche Form.
    Sophie schaute so lange hin, bis die Statue sich plötzlich bewegte, aufstand, den Kopf zurückwarf und den Mond anheulte.
    Ein Wolf!
    Und die Gestalt war nicht schneebedeckt, wie sie gedacht hatte, sondern … weiß, schneeweiß. Ein weißer Wolf? Wie die, von denen Ivan erzählt hatte? Die Wölfe, die einst den Palast bewacht und den Mord an Prinz Vladimir gerächt hatten!
    Das Heulen des Wolfs jagte ihr Schauer über den Rücken. Das war es – das Geräusch, das sie gehört hatte, als Ivan sie durch den langen Gang zur Prinzessin geführt hatte. Wild und verloren klang es.
    Ein furchterregendes Heulen, das noch wilder klang als beim letzten Mal. Aber seltsamerweise hatte Sophie keine Angst, sondern war wie elektrisiert. Als wisse sie irgendwie, ohne sagen zu können, woher, dass der Wolf ein Hüter des Palastes war, dass er hergekommen war, um die Prinzessin zu beschützen. Und wie sollte sie nicht fasziniert sein, wenn doch die Fantasiewelt aus ihren Träumen plötzlich Wirklichkeit geworden war?
    Sophie drückte ihr Gesicht an die Fensterscheibe und schloss die Augen. Am liebsten wäre sie hinausgestürzt, in den Schnee hinunter, und mit dem Wolf gelaufen, dessen Heulen anscheinend nur sie hören konnte.
    Aber als sie die Augen wieder aufmachte, war der Wolf fort.

» Geiiiiiijjj! « Ivan schwang die Peitsche. Die Prinzessin riss ihm lachend die Zügel aus den Händen und ließ das Pferd losrennen.
    Viflijankas wütendes Schnauben und das Klingeln der Glöckchen bildete die stetige Begleitmusik zu den Hopsern und Schlenkern, die der Vozok im Schnee machte. Die Mädchen klammerten sich aneinander, ihre Schals fest um die Gesichter gewickelt. Sophie blühte auf in der klaren, eisigen Luft, und sie genoss es, in diesem halsbrecherischen Tempo durch das ungewisse Dämmerlicht zu fahren, das immer noch herrschte, obwohl es ihrem Zeitgefühl

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