Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)
Schlittschuhe für euch finden!« Die Prinzessin redete heute schneller als gestern, vielleicht weil sie von der rasanten Fahrt durch den Wald genauso aufgeputscht war wie Viflijanka. Ihre Augen glitzerten mit den grauen Diamanten an ihren Fingern um die Wette, als sie ihre Robbenfellhandschuhe mit den Zähnen herunterzerrte.
»Hier, Delphine …« Sie reichte ihr ein Paar Schlittschuhe an verhedderten Schnürsenkeln. »Die müssten dir passen, denke ich.« Sophie betrachtete das Spiegelbild der Prinzessin, das in tausend winzige Fragmente zersplitterte, sobald sie wieder in der Schlittschuhkiste wühlte. »Marianne? Ich glaube, deine Füße sind etwas kleiner als die von Delphine.« Sie hielt ein Paar verbeulte braune Schlittschuhstiefel hoch. »Geht hinaus und zieht sie draußen an«, fügte sie hinzu. Die beiden Mädchen stapften gehorsam in den Schnee hinaus.
»Und für dich …« Die Prinzessin schaute in Sophies Gesicht auf, als könne sie ihre Schuhgröße darin ablesen. »Ich glaube, du kannst die hier nehmen.« Die Schlittschuhe ähnelten zierlichen braunen Ankle Boots mit schmalen Kufen an der Unterseite. »Die haben der letzten Volkonski-Prinzessin gehört.«
»Der jungen Frau, die in den Wald geflüchtet ist? Mit ihrem Kind?«
»Wer hat dir das denn erzählt? Ich dachte, du wüsstest nichts über die Volkonskis?« Die Prinzessin warf Sophie einen scharfen Blick zu.
Sophie zögerte. Hatte sie etwas Falsches gesagt? »Ich weiß ja auch nichts – nur was Ivan uns erzählt hat.«
Aber warum wurde die Prinzessin so wütend? Gab es vielleicht Dinge in der Volkonski-Familie, die Sophie nicht wissen durfte, weil sie sich dafür schämte? Aber das konnte doch nicht sein. Alles, was mit den Volkonskis zu tun hatte, war nobel und faszinierend, wenn auch traurig.
»Er scheint ja ganz versessen darauf zu sein, dir die alten Volkonski-Märchen zu erzählen.« Die Prinzessin warf Sophie die Schlittschuhe zu. »Obwohl es ihn eigentlich nichts angeht, finde ich. Er soll sich lieber um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Was ist übrigens mit deiner Familie?«
»Ich habe keine«, sagte Sophie. »Mein Vater …«
»Ist gestorben?«, warf die Prinzessin ein. »Weißt du denn noch etwas über ihn?«
Sophie zuckte innerlich zusammen. »Ach, nur komisches Zeug. Verschwommene Bilder. Und manchmal höre ich seine Stimme.« Dass sie die Stimme ihres Vaters zum ersten Mal wieder gehört hatte, als sie nach Russland gekommen war, verschwieg sie vorsichtshalber.
»Was für Bilder?«, hakte die Prinzessin nach und beugte sich zu ihr vor. Aber Sophie wusste nicht, wie sie die Bilder beschreiben sollte, die manchmal in ihrem Kopf auftauchten: Wie ihr Vater ihr vorlas oder sorgfältig einen Apfel schälte oder nachlässig die Tür zuknallte. Als sie nichts sagte, drängte die Prinzessin: »Und was ist mit deiner restlichen Familie? Du musst doch irgendwelche Verwandte haben?«
»Nein.«
»Wirklich nicht? Bist du sicher? Da muss doch noch jemand sein?«
»Nein, nur mein Vormund, Rosemary. Aber sie ist keine Verwandte, sie war nur eine Freundin von meiner Mutter.«
Die Prinzessin nickte langsam. »Wie schrecklich so ganz allein im Leben zu stehen«, sagte sie. Aber es klang nicht sehr mitfühlend.
»Ach, ich denke meistens nicht daran«, murmelte Sophie.
Dann folgte sie der Prinzessin zu Marianne und Delphine hinaus, die auf einer großen Steinbank saßen und ihre Schlittschuhe anzogen. Sophie, die geschützt unter dem Portikus des Pavillons stand, dort, wo kein Schnee hinfallen konnte, sah plötzlich, dass die Füße der Bank, auf der ihre beiden Freundinnen saßen, in gemeißelten Wolfspfoten endeten.
Inzwischen schneite es wieder. Sophie schaute zu, wie Ivan die letzten Kisten in den Pavillon trug.
»Du kannst schon das Picknick auspacken, Ivan!«, rief die Prinzessin ihm zu. »Ich brauche ein Glas Jahrgangs- schampanskaje aus den Volkonski-Kellereien, ehe ich mich aufs Eis wage.«
»Wäre es nicht besser, wenn Sie den schampanskaje erst nach Ihrer sportlichen Betätigung auf dem See trinken, Prinzessin?«, wandte Ivan mit gesenkter Stimme ein.
Die Prinzessin streckte ihm die Zunge heraus, sobald er ihr den Rücken kehrte. »Du bist ein alter Spielverderber, Ivan«, sagte sie. »Wozu bin ich eine Prinzessin, wenn ich nicht haben kann, was ich will?« Dann beugte sie sich vor, um ihre Stiefel zuzuschnüren. »Er wird tun, was ich ihm sage«, verkündete sie mit vorgerecktem Kinn. »Weil ihm gar nichts
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