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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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obscura
herzustellen, deren Erstausführung ich wider Willen erprobt hatte. Hier nun bauten wir einen einer Sänfte gleich auf Stangen angebrachten hölzernen Würfel, groß genug, um zwei Personen aufzunehmen. In jede Wand bohrten wir eine Öffnung, in welcher hernach eine optische Linse angebracht wurde. In diesem ansonsten vollständig lichtdichten Würfel platzierten wir nunmehr einen zweiten, aus durchscheinendem, auf ein Gerüst montiertem Papier bestehenden, dergestalt berechnet, dass dieser Bildschirm weit genug von den Linsen entfernt war, um ein klares Bild des draußen Befindlichen zu empfangen. Eine hinten angebrachte Öffnung erlaubte es, in diese Vorrichtung hineinzukriechen & auf dem Papierschirm die Abbilder der Dinge oder Wesen zu betrachten.
    Sobald die Maschine fertiggestellt war, ließen wir uns in ihr von vier Dienern durch die Stadt & ihre Umgebung tragen. Wir sahen Stadtbild und Landschaft, Menschen, Gegenstände, Jagdszenen & die drolligsten Spektakel mit einer solchen Meisterschaft abgebildet, dass kein bildnerisches Werk diese Perfektion jemals erreichen könnte. Alles und jedes erschien auf den Wänden unserer Kabine, Vogelschwärme, Gesten, Aussichten, Mundbewegungen, ja sogar Worte, & derart lebendig & natürlich, dass ich mich nicht entsinnen konnte, zeit meines Lebens je etwas so Wunderbares gesehen zu haben.
    Herzog Friedrich von Hessen, der diese tragbare Kammer wenige Tage später erlebte, war ganz und gar hingerissen. Er gab auf seine Kosten eine weitere, deutlich größere bei uns in Auftrag, in der er seine Freunde mitzunehmen plante. Von mehreren Arbeitern unterstützt, machte Kircher sich ans Werk, & das neue Modell konnte am 1 . Februar des Jahres 1638 eingeweiht werden. Es hatte die Form einer auf Kutschenrädern montierten Galeone & wirkte ebenso beeindruckend wie ein echtes Schiff. Dekoriert war es reich mit Nereiden aus blattgoldbelegtem Stuck und bot in seinem Innern alle Bequemlichkeiten eines luxuriösen Salons. Zahlreiche an den Seitenborden angebrachte Linsen schufen ein gar zaubrisches Spektakel. Von zwölf gescheckten Wallachen gezogen, durchfuhr dieses großartige Schiff, Frucht von meines Meisters Kunst & Erfindungsreichtum, tagelang die großen Straßen von Palermo, ohne dass der Herzog & diejenigen, die um die Ehre wetteiferten, seine Tischgenossen zu sein, je des Wunders müde geworden wären. Man hielt das Ganze für eine neuartige Prozession, und so begleitete die Stadtbevölkerung diese Ausfahrten mit Freudenrufen. Kircher genoss eine Gunst sonder Grenzen.
    Da nun der Tag unserer Abfahrt nahte, wandten wir unsere Mühen darauf, die neuen Kuriositäten, die die Inselregierung meinem Meister als Lohn für seine Dienste übergeben hatte, reisebereit zu verpacken.
    Bei unserer Abreise Anfang März 1638 hatte der Tross des Großherzogs sich um fünf Karren erweitert, die ausschließlich für die neuen Fundstücke und Sammlungsgegenstände bestimmt waren, welche wir von Sizilien & Malta brachten.
    In Messina angekommen, mussten wir drei Tage auf besseres Wetter warten; der Sturm war so stark, dass kein Lotse es wagte, uns nach Kalabrien überzusetzen. Selbst als wir dann Anker lichteten, waren Wind & Meer immer noch so ungünstig, dass sogar die Seeleute sich vor der Überfahrt fürchteten. Auf Drängen Kirchers machten wir einen Umweg zu den Felsen von Scylla & Charybdis, um zu untersuchen, was sie so gefährlich machte, doch weigerte sich unser Kapitän, nahe genug heranzufahren. Hingegen war mein Meister entzückt, den Vulkan Stromboli zu sehen, der seinen Helmbusch aus Schlacken und Rauch in den tobenden Himmel aufsteigen ließ.
    Wir wandten uns gen Norden und erreichten nach wenigen Tagen Gewaltmarsch den Reisezug des Großherzogs von Hessen in dem Städtchen Tropea am Ufer des Tyrrhenischen Meeres.

São Lúis
    Überall funkelten kleine dumme Augen in ihren Höhlen.
    »Ich hab ja schon viel gesehen in meinem Leben, aber das … Zum Kotzen ist das! Widerlich!«
    So sehr hatte sich Loredana in seiner Gegenwart noch nie ereifert. Mit zusammengekniffenen, vor Wut weißen Lippen machte sie ihrer Empörung Luft:
    » US -Amerikaner, ein Ehepaar, mit einer Tochter, so um die siebzehn … Heute Morgen sind sie angekommen, mit dem ersten Schiff. Ich hab grad unten gefrühstückt, mit Socorró. Drei Monster, ich schwör dir’s! Fett wie Walfische, polternd, Eroberermiene, die reinste Karikatur, aber eine von der schlimmen Sorte. Kein ›Guten Tag‹,

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