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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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erteilt sie mit der Feinfühligkeit und Sanftheit eines schweren Maschinengewehrs. Andererseits hat sie wahrscheinlich recht: Bleiben wir stehen, so frisst uns die Bestie; fliehen wir, so holt sie uns ein.

19 . Kapitel
    In welchem man von der unverhofften Konversion der Königin Kristina erfährt.
    I n jenem nämlichen Jahre erreichte auf verschlungenen Wegen eine wirklich unglaubliche Nachricht den Vatikan: Die Tochter ebendes Gustav Adolf, der einst geschworen hatte, sämtliche Papisten & Jesuiten der Schöpfung zum Teufel zu jagen, die aufgeklärte, aber freigeistige Herrscherin über ein ganz und gar der Reformation verschriebenes Land, Königin Kristina von Schweden, wünsche insgeheim zu konvertieren!
    Hier bot sich eine einzigartige Gelegenheit, die Macht der katholischen Kirche zu beweisen anhand ihrer Fähigkeit, eine der schillerndsten Figuren der Reformation in ihren Schoß zurückzuholen. Nun galt es sorgsam auszuwählen, wer beauftragt werden sollte, diesen Prozess zu befördern. Wieder einmal beteiligt, beriet Kircher unsere Oberen klug, & so reisten zwei der unseren, die ihm nahestanden, alsbald als Adlige verkleidet nach Schweden.
    Dort begann unverzüglich die Bekehrung der Königin, nicht ohne Mühen, denn diese intelligente & weit mehr als erwartet in theologischen Fragen versierte Frau brachte Thema um Thema vor die beiden geistlichen Männer. Eine Folge dieser Konversion indes war ganz und gar weltlich: War der Beschluss dazu gefallen, so würde Kristina nicht mehr die Herrscherin ihres protestantischen Königreiches bleiben können …
    Während der zwei folgenden Jahre verließ mein Meister kaum jemals sein Studierzimmer, völlig von der Abfassung seines
Mundus Subterraneus
, der jeden Tag ein wenig anwuchs, und von den letzten Revisionen & Korrekturen beansprucht, die es zur Veröffentlichung des
Œdipus Ægyptiacus
noch bedurfte.
    Am 2 . Mai 1652 , dem Tag seines fünfzigsten Wiegenfestes, hatte er endlich die große Freude, den ersten Band jenes Großwerkes in Händen zu halten, dem er jeden Augenblick seines Lebens gewidmet hatte, seitdem die Hieroglyphen sich ihm wie offenbart hatten. Zwanzig Jahre ununterbrochenen Forschens, mehr als dreihundert antike Autoren, als Zeugen seiner Thesen aufgerufen, zweitausend Seiten, auf vier Bände verteilt, die innerhalb von drei Jahren erscheinen sollten! Eine große Anzahl von Stichen, nach seinen Anweisungen von so begabten Künstlern ausgeführt wie Bloemart & Rosello, illustrierten wundersam diesen Text, für den mein Meister viele neue Drucklettern hatte gießen lassen. Ein fast maßloses Unternehmen, das einen Erfolg derselben Größe erleben sollte.
    Der
Œdipus Ægyptiacus
fand in ganz Europa einen enormen Widerhall, & zwischen 1652  & 1654 sah sich mein Meister den Widrigkeiten ausgesetzt, welche die Begeisterung seiner Zeitgenossen nun einmal mit sich brachte. Gelehrte, Abgesandte der bedeutendsten wissenschaftlichen Akademien der Welt, strömten gen Rom, um ihn zu treffen. Von allen Seiten kam man herbei, den Mann zu sehen, der die Sprache der Pharaonen entschlüsselt hatte, jene Hieroglyphen, die den normalen Sterblichen seit zweitausendvierhundert Jahren unverständlich gewesen waren … Der Erfolg war dergestalt, dass die Bücher bereits verkauft waren, bevor sie noch aus der Druckerpresse kamen. Kirchers Name war in aller Munde, so dass wir gezwungen waren, im Laufe jener drei Jahre mehr als tausend des Lobes voller Briefe zu beantworten.
    In Stockholm unterdessen sahen die Gesandten des Papstes ihre Mühen unverhofft belohnt: Am 11 . Februar 1654 gab Kristina von Schweden dem Senat bekannt, sie werde zugunsten ihres Cousins Carl Gustaf abdanken. Aller Protest der Senatoren war vergebens, & dank eines Zufalls, dessen Geheimnis nur das Schicksal kennt, war es just am 2 . Mai 1654 , wiederum Kirchers Geburtstag, dass sie vor den Vertretern der Stände ihres Reiches auf den Thron verzichtete. Die Abdankungszeremonie war nun nur noch eine bloße Formalie, & am 16 . Juni, nachdem sie die königlichen Insignien abgelegt & sich selbst die Krone vom Haupt genommen hatte, herrschte Kristina von Schweden nur mehr über ihre eigenen Handlungen hinieden.
    Mit kaum achtundzwanzig Jahren hatte sie schon länger regiert als manch ein über seiner Herrschaft ergrauter König. Nun reiste sie unverzüglich ab, begierig, ein Land zu verlassen, aus dem sie sich selbst durch ihren großen Verzicht verbannt hatte. Sie ließ sich die Haare

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