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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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mein Meister freie Hand erhalten hatte, versicherte er sich der Dienste Berninis; gemeinsam brüteten sie nun Tag & Nacht über den Plänen für die Realisierung von allerlei großartigen Vorhaben …
    Während dieser fieberhaften Vorbereitungen reiste Kristina durch Norditalien. Der Herzog von Mantua empfing sie mit dem einer Königin vorbehaltenen Pomp: In einer Sänfte liegend wie eine Pharaonin wurde sie über den Piave getragen, zum Schein von Tausenden Fackeln in den Händen der Soldaten von Carlo  III . Gonzaga, der vor ihr einherritt.
    Schmuckbehangen und als Theateramazone gekleidet, hielt Kristina triumphalen Einzug in Bologna, Faenza, Rimini und Ancona. So, wie ein Fluss anwächst, indem er sich von seiner Quelle entfernt, hatte ihr Begleitzug mittlerweile erschreckende Ausmaße angenommen. Adelsmänner aller Nationen, aber auch einfache Höflinge, angelockt von dem verschwenderischen Lebensstil, oder Berufsritter, deren einziges Vermögen in ihrem schmucken Auftreten bestand, begleiteten Kristina bei ihrem Marsch auf Rom. Übrigens war es in Pesaro, beim Tanz der von den Inseln gekommenen »Canaria«, dass sie die Grafen Monaldeschi und Santinelli traf, jene traurigen Edelmänner, die ihr einige Jahre später ein Ungemach bescherten, das noch in aller Erinnerung präsent ist. Nun aber, von den Verführungskünsten dieser beiden geblendet, gestattete sie ihnen, sich ihrem Tross anzuschließen, & zog weiter.
    In Loreto vor den Toren Roms wünschte Kristina als symbolische Geste Krone & Szepter auf dem Altar der Heiligen Jungfrau niederzulegen. In der Nacht des 19 . Dezember dieses Jahres gelangte sie endlich in die Stadt, durch geschlossene Kutschenfenster vor Blicken geschützt, & begab sich allsogleich in den Vatikan, wo der Papst ihr eine Wohnung zur Verfügung gestellt hatte.
    Diese zwei Monate über hatten Kircher & Bernini unaufhörlich geschuftet. Ohne die Schatullen Alexanders  VII . zu schonen, hatten sie den prunkvollsten Empfang vorbereitet. Kristina sollte erst drei Tage später offiziell in die Stadt einziehen, um sich zuvor von den Strapazen der Reise zu erholen. Zwar waren sämtliche Vorbereitungen seit mehr als einer Woche abgeschlossen, dennoch musste die Ausführung dieses umfangreichen Vorhabens genauestens überwacht werden. Eine gewisse Erregung bemächtigte sich des Collegiums. In sein Kabinett verkrochen, kam Kircher kaum mehr von seinem Sprechrohr weg: Er befahl, rief, prüfte tausenderlei, stellte seine Truppen auf wie ein General am Vorabend einer Entscheidungsschlacht. Alle an diesem Theater Beteiligten folgten ihm aufs Wort, probten ihre Rollen unermüdlich, & nie in meinem Leben bin ich so viel durch die Straßen Roms gelaufen wie in jenen Tagen.
    Am Morgen des Donnerstags, 23 . Dezember, verließ Kristina heimlich und unbemerkt die Stadt, um sich in die Villa von Papst Julius zu begeben, von wo sie am frühen Nachmittag aufbrechen und in der Ewigen Stadt Einzug halten sollte. Leider war stürmischer Nordwind aufgekommen und schob regenschwere Wolken über der Landschaft zusammen. Kircher, der dies von den Fenstern des Collegiums aus sah, war dem Tode näher als dem Leben, denn nichts war ihm wichtiger als der korrekte Ablauf der Festivitäten, & er betete darum, dass kein böses Geschick die Frucht seiner Mühen zunichtemachte. Unmittelbar nach dem Mittagsmahl, das Kristina von Schweden gemeinsam mit den Gesandten Alexanders  VII . einnahm, brach ein unerhört heftiges Gewitter los. Blitze & Donner folgten einander dichtauf, wie zum Protest dagegen, dass für eine gewöhnliche Sterbliche ein solcher Aufwand betrieben werden sollte.
    Im hastig mit Planen geschützten Innenhofe der Villa übergab Monsignore Girolamo Farnese, Majordomus des Papstes, Kristina die Geschenke, welche dieser ihr zugedacht: eine sechsspännige Karosse nach einem Entwurf Berninis, verziert mit wunderschönen, blattgoldbelegten Einhörnern; eine Sänfte & ein reizender Tragesessel sowie einen makellosen Anglo-Araber, dessen goldrotes Zaumzeug ihn als eines Kaisers würdig erscheinen ließ. Da der Regen nicht nachlassen wollte, legte der Majordomus Kristina nahe, auf den feierlichen Einritt zu verzichten und in der Karosse in Rom einzuziehen, doch wies die abgedankte Herrscherin mit dem Temperament ihrer achtundzwanzig Jahre dies weit von sich, und so begab die lange Prozession sich unter prasselndem Regen auf den Weg über die Via Flaminia.
    Etwas Schöneres hatte man noch nie gesehen. In

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