Wo Tiger zu Hause sind
Euch dort gewesen zu sein.«
»Ich hatte mehrere Blöcke mit Tusch- und Rötelzeichnungen gefüllt, die ich nach Europa mitbringen wollte, doch hat dies Gott wohl missfallen, denn er hat dem jungen Kaiser von China eingegeben, dass dieser sie bei sich zu behalten wünschte …«
»Das ist auch nicht so wichtig«, warf Kircher ein, »denn ich brauche Euch nur zu hören, um in diesem Tempel den deutlichen Einfluss des alten Ägypten zu erkennen. Überall in Asien findet man wie auf Eurem Java mystische Pyramiden & hinreißende Tempel, sämtlich nach ägyptischem Vorbilde erbaut. Mit einem knappen Wort, China äfft Ägypten nach & will ihm in aller Naivität gleichen …«
Ich konnte nicht erklären, warum, doch Pater Grueber wurde jäh blass; seine Kiefermuskeln spannten sich an, als müsse er einen intensiven Schmerz unterdrücken.
»Ist Euch nicht wohl?«, fragte ich ihn.
»Nein, so schlimm ist es nicht … Sorgt Euch nicht um mich. Eine einfache … Nervenreizung, die mich bisweilen ergreift, wenn ich über meine Reisen spreche …«
»Rasch, Caspar«, wies mein Meister mich an, »hol eine der Flaschen Ho-Bryan, die Master Samuel Pepys uns geschickt, & bringe auch Konfitüre, es ist hoch an der Zeit, jenes sagenhafte Kraut zu probieren, das die Traurigkeit vertreibt!«
»Goldene Worte, Hochwürden!« Bernini rieb sich die Hände. »Doch was ist das für ein Kraut, mit dem Ihr uns laben wollt? Denn wenn es wirklich diese Macht besitzt, bestelle ich sogleich einen Packen für meinen persönlichen Gebrauch!«
Kircher erläuterte ihm, was Pater Grueber just vor seinem Kommen erzählt hatte, und scherzte, dieser benötige es doch wohl durchaus nicht, dank seiner natürlichen Neigung zu guter Laune. Wir aßen nun also von jenem
Quei
, tranken & plauderten dazu.
»Diese Pflanze«, berichtete Gruber, dem der Wein wieder etwas Farbe zu geben schien, »erinnert stark an Hanf & wächst in der Provinz Xinjiang, doch verwendet man sie nicht wie wir, da man sich dort nicht darauf versteht, die Fasern zu Fäden zu verspinnen.«
Von meinem Meister um weitere Erläuterungen gebeten, sprach Grueber wieder über chinesische Arzneien.
»Je nach Farbe verwenden sie fünf Sorten Quarz, Erde & Pilze. Wir hier verwenden Honig und Spanische Fliege, doch ein Chinese sähe darin einen unbegreiflichen Verzicht auf die wunderbare Wirkung der Bienen selbst, der Wespen, ihres Wachses & ihrer Nester, ihrer Larven & Kokons, der Bücherwürmer, Zikaden, Mücken, Milben, der Skorpione, Tausendfüßler, Ameisen, der Läuse und Flöhe, der Schaben und Filzläuse! All diese Insekten werden dort zubereitet sowie gehandelt, wie wir es hier mit Rhabarber und Alraunen tun …«
»Sapperlot!«, rief Bernini, »dumm nur, dass wir in Rom nicht solche Apotheker haben! Zwar verfüge ich nicht über die ganze Sammlung an Viechern, wie Ihr sie aufgezählt, doch an manchen davon besitze ich genug, um wohlhabend damit zu werden …!«
Wir lachten mit ihm über diesen Scherz und hoben das Glas auf seinen Reichtum.
»Ihr amüsiert Euch über diese Liste«, fuhr Grueber hochgestimmt fort, »doch was sagt Ihr erst zu dem nun Folgenden? Immer noch dieselben Chinesen sammeln das Gift, das sich zwischen den Augenbrauen der Kröten herausdrücken lässt, und drehen daraus kleine Pillen, welche, so sagen sie, unfehlbar gegen Zahnfleischbluten wirken, gegen Zahnweh und Nebenhöhlenvereiterungen – dies Letztere jedoch nur, wenn sie mit Muttermilch vermischt & in die Nasenlöcher geträufelt werden. Mit dem Saft des längsten Bandwurms werden Augenweh und Furunkel kuriert; der Esels-Spulwurm behebt den Grauen Star; mit Grillenhaut & Alkohol vermischt, sodann auf den Bauchnabel einer Schwangeren gerieben, löst Eidechsenleber einen Abgang der Leibesfrucht aus! Pythongalle klärt das Augenlicht, sein Fleisch heilt Lähmungen & Rheumatismus, sein Fett ist gegen Taubheit gut, & seine Zähne bewahren den, der sie bei sich trägt, vor Krankheiten. Die Drachenknochen, die man gemeinhin in der Steppe findet, stärken das männliche Glied, lösen Nachtschweiß, befrieden den Geist, wirken exorzistisch gegen Besessenheit durch Teufel, behandeln jedoch auch Durchfall, Fieber & Nymphomanie …«
Höchst erheitert, bekundeten wir unser Staunen, während Pater Grueber, von seiner eigenen Rede mitgerissen, den ganzen Katalog seiner Waren rezitierte:
»Der Samen des Wals, auch genannt graues Ambra, vertreibt Neurasthenie, Inkontinenz, Ausschlag am
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