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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Mauseloch verkrochen, Mom. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.«
    »Liebes, ich hatte solche Angst um dich. Dass man Anklage wegen Mord erheben könnte und du ins Gefängnis müsstest.«
    »Mom, ich hatte einen Menschen umgebracht! Ans Gefängnis oder andere Folgen dachte ich in dem Moment nicht! Es war ein strahlend schöner, sonniger Tag, und er war
tot.«
    »Ein strahlend schöner, sonniger Tag, sagst du? Mag sein, aber ich habe nur an
dich
gedacht. Im Gefängnis eingesperrt, mit weiß Gott was für einer Zellennachbarin, hinter Gittern, ohne sich frei bewegen zu können, ohne strahlend schöne, sonnige Tage. Ich war wie gelähmt.«
    »Aber Caroline nicht. Sie war bei mir.«
    Plötzlich wusste Augusta: Das war die Wahrheit. Die schmerzliche Erkenntnis traf sie wie der Blitz aus heiterem Himmel. Sie war nie da gewesen, wenn Skye sie gebraucht hatte. Sie hatte es gewollt, geplant, sich vorgestellt, aber dabei war es geblieben.
    Zitternd zog Augusta die Nadel aus ihrer Stickerei. Sie hatte sie vor Skye versteckt und vorgehabt, sie Weihnachten damit zu überraschen.
    »Schau, was ich für dich mache, Skye.« Mit ernster Miene zeigte sie Skye das Symbol ihrer Liebe, in dem Versuch, die grauenvolle Vergangenheit ein für alle Mal zu begraben. Schluss mit den knöchernen Rasseln der Klapperschlange. Sie zog es vor, zur tröstlichen Welt der Schutzamulette zurückzukehren, zu den überlieferten Traditionen, die ihr stets ermöglicht hatten, die Illusion einer heilen Welt aufrechtzuerhalten.
    Ausgebreitet auf dem Tisch lag Augustas beinahe fertiges Kissen – eine Szene aus
Schwanensee,
mit einem geheimnisvollen Wald, einem blauen See, anmutigen Schwänen, einem Märchenschloss. Darunter hatte sie zwei Jahreszahlen gestickt – zwei Weihnachten, im Abstand von dreißig Jahren.
    »Weißt du, was damit gemeint ist?« Augustas Stimme zitterte. Sie legte die Arme um Skyes Schultern und zeichnete die Zahlen mit dem Zeigefinger nach, als würde sie mit einem kleinen Kind reden. »Weihnachten in dem Jahr, als mein Vater mich in
Schwanensee
mitgenommen hat, und das Jahr, in dem du und deine Schwestern mit eurem Vater mitgehen durftet.«
    »Ich bin völlig fertig, und du redest davon, dass du mir ein Kissen schenken willst!«
    »Liebes, es wird alles gut werden.« Augusta hatte Angst, die Wahrheit zu hören. Sie umarmte Skye, fuchtelte ihr mit der Stickerei vor dem Gesicht herum und wollte sehen, dass sie sich darüber freute, dass es noch nicht zu spät war.
    »Mom, lass es!
Schwanensee
erinnert mich nur an den Redhawk Mountain.«
    »Aber das Ballett … Dein Vater hat dich mitgenommen. Du warst hingerissen. Du hättest dir am liebsten die ganze Nacht die Musik angehört, weit nach Mitternacht, bis ich ein Machtwort gesprochen habe …«
    »Du kapierst es einfach nicht. Du bist blind für alles, was nicht in dein Bild passt!«
    »Liebes!«
    »Mom ich hasse
Schwanensee!
Es erinnert mich an Dad. Es erinnert mich an den Herbsttag, als ich Andrew Lockwood erschossen habe. Daran denke ich jedes Mal, wenn ich die Musik höre.«
    Schweigend ergriff Augusta die Schere. Ohne zu überlegen, schnitt sie die Stickerei mitten durch, dann schnitt sie die Hälften ein weiteres Mal entzwei. Mit erstarrtem Blick betrachtete sie die vier Teile, zwei in jeder Hand.

[home]
    19
    J oe ging Caroline entgegen, als sie aus dem Beiboot stieg. Er bückte sich und reichte ihr die Hand. An Bord der
Meteor
schloss er sie in die Arme. Er trug nur die untere Hälfte eines schwarzen Kälteschutzanzugs. Seine nackte Brust fühlte sich warm in der Sonne an, Salzkristalle glitzerten in seinen blonden Haaren. Die Mannschaft ließ alles stehen und liegen, um die beiden zu beobachten.
    »Normalerweise bringe ich keine Frauen mit aufs Schiff«, sagte Joe. »Und schon gar nicht zweimal dieselbe.«
    »Und ich mache normalerweise nicht mitten in der Woche blau.«
    »Hallo, Caroline!« Sam gesellte sich in seinem Taucheranzug zu ihnen. Er schüttelte den Kopf, wobei er Wasser versprühte, küsste sie auf die Wange und war offensichtlich erfreut, sie zu sehen. »Einen besseren Tag hätten Sie sich für Ihren Besuch nicht aussuchen können.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, wenn ich es Ihnen sage! Warten Sie erst, bis Sie den Schatz sehen! Eine richtige Schatztruhe, wie bei den Piraten, uralt, mit Messingbeschlägen. Wir haben bereits alles klar gemacht, um sie hochzuhieven. Zeig ihr die Winsch, Joe.«
    Joe lächelte angesichts der Begeisterung seines Bruders. »Da

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