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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wunderbare Kinder hatte.
    Nie wäre ihr der Gedanke gekommen, dass sie fünfundzwanzig Jahre später ihre Jüngste, ihr Nesthäkchen Skye, auf Schritt und Tritt überwachen musste, damit sie nicht noch mehr Unheil anrichtete. Damit sie den Alkohol nicht direkt aus der Flasche trank, ein X-acto T–Messer nahm und sich mit der Skalpellklinge die Adern aufschnitt. Wegen eines Todesfalls, der Jahre zurücklag.
    Skye, eine Mörderin.
    Großer Gott, dachte Augusta. So viel Unglück in ihrer eigenen Familie. Sie beugte den Kopf und wischte die Tränen fort. Wieso war sie bis heute nicht in der Lage, ihren Pflichten als Mutter zu genügen, ihren drei Mädchen beizustehen? Aber wenigstens waren die Schwestern stets füreinander da. Caroline, die Ersatzmutter. Gott sei Dank, dass es sie gab, dass die beiden anderen nicht alles alleine durchstehen mussten, weil ihre leibliche Mutter zu selbstsüchtig und feige gewesen war, um sie zu schützen.
    Am oberen Ende der Treppe angekommen, hielt Augusta inne. Sie lehnte sich an das Geländer, einen Stapel weißer Handtücher auf dem Arm. Sie fühlte sich wie eine ausgelaugte alte Waschfrau.
    Die Tür zu Skyes Atelier war geschlossen. Augusta starrte sie an. Der Augenblick, vor dem sie sich gefürchtet hatte, war gekommen. Sie würde die Tür aufstoßen, eintreten und entdecken müssen, dass Skye betrunken war.
    Augusta richtete sich kerzengerade auf. Sie atmete tief durch und setzte eine geschäftige Miene auf. Sie würde hineingehen und laut beklagen, dass die Welt nie von den Müttern berühmter Bildhauerinnen erfuhr und der zusätzlichen Arbeit, die sie verrichteten, damit ihre Töchter unbelastet und mit sauberen Händen zu Werke gehen konnten.
    Sie stieß die Tür auf und trat über die Schwelle. In dem Moment ertönte ein gellender Schrei, und ihr Herz setzte aus.
    »O Gott!« Sie ließ die Handtücher fallen.
    Blut lief aus Skyes Nase, während Simon mit gespreizten Beinen über ihr stand, keuchend wie ein Bulle. Er hatte ihr die Hände auf den Rücken gedreht, und Augusta sah, dass sie verletzt war. Er hatte seine Hosen runtergelassen, der Gürtel schleifte auf dem Boden.
    »Verschwinde, Augusta! Das ist eine Sache, die nur mich und meine Frau etwas angeht.«
    »Skye?« Augusta schenkte ihm keine Beachtung. Sie nahm eines der sauberen Handtücher und näherte sich damit ihrer Tochter. Hatte ein Streit zwischen den beiden stattgefunden oder Schlimmeres? Hatte er etwa vorgehabt, seine ehelichen Rechte mit Gewalt einzufordern?
    Skyes Nase sah schief aus, und unter dem linken Auge hatte sie eine Beule. Augusta ging neben ihr in die Hocke, um die Verletzung zu begutachten, und strich ihr übers Haar. »Hat er dich geschlagen?« Tränen liefen über Skyes Wangen. Entrüstet drehte sich Augusta um. »Hast du sie geschlagen? So wahr mir Gott helfe, wenn du …«
    Sie funkelte Simon an. Wie hässlich sein Gesicht aussah, verzerrt und rot, die hervorstehenden Adern an seinem Hals dick wie Taue. Seine Zähne waren gebleckt wie die eines Tigers, und Augusta spürte, wie auch in ihr der Raubtierinstinkt erwachte. Sie hatte dieses Gefühl nur ein einziges Mal im Leben gehabt – als James Connor in ihre Küche eingedrungen war und ihre Kinder bedrohte.
    Augusta, die sich vor Skye geworfen hatte, und Simon blickten einander an, und sie sah den Schlag kommen. Sie wusste nicht, ob er ihr galt oder Skye, aber sie riss die Hände hoch, um sie beide zu schützen. »Niiiiicht!«, schrie Skye; ihre Stimme hallte nach wie das Pfeifen einer Lokomotive, die eine lange Kurve nimmt, bevor sie in einen Tunnel einfährt.
    Es war Augusta, auf die er es abgesehen hatte. Der Schlag war dumpf, und er stieß einen knurrenden Laut aus. Augusta hörte und spürte mit allen Sinnen, wie Simons Faust ihre Schläfe traf. Sie roch und schmeckte ihre eigene Angst, und sie sah, wie Skye, ihr Küken, die größte Künstlerin in der Familie, die Kindlichste von allen, plötzlich eine Schere in der Hand hielt.
    »Skye!« Augusta versuchte die Worte auszusprechen, aber ihrem Gehirn gelang es nicht, sie über die Lippen zu bringen. Skye! Nicht, Liebes! wollte sie ihr zurufen. Tu’s nicht! Tu’s nicht! Augusta spürte, wie sie die Besinnung verlor, die Worte waren nur noch ein Gurgeln, erstickt in Speichel oder Blut. Sie würde ohnmächtig werden oder sterben, aber das war ihr in diesem Augenblick völlig egal. Sie wollte nur eines, Skye beschützen. Sie wollte sie wenigstens jetzt beschützen, nachdem sie es vierzehn

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