Wo unsere Träume wohnen
bei der Polizei ist das ein Kinderspiel, glaub mir.“
Er machte sich wieder an die Arbeit. „Ich will den Gasthof eröffnen, bevor das Geld zu Ende geht. Wenn wir es zum ersten Mai schaffen, kommen wir klar. Und wenn wir so weitermachen, dürfte das machbar sein.“
„Vorausgesetzt, du und Kevin schuftete euch nicht vorher zu Tode.“
„Das musst gerade du sagen.“
Violet schaute zur Seite. „Ich mache nur meinen Job.“ Als Rudy schmunzelte, runzelte sie die Stirn. „Halbe Sachen sind nicht mein Stil.“
„Das habe ich gemerkt.“ Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht und zeichnete seine markanten Konturen nach. Bleib stark, befahl sie sich, doch dann fiel ihr Blick auf ihre Söhne. Julian war mit George zusammengestoßen und lag jetzt unter dem Mittelteil des Schneemanns. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf die Tränen, doch ihr Jüngster weinte nicht, sondern lachte fröhlich.
Rudy ließ die Schippe fallen und eilte hinüber, um mit den beiden den runden Torso auf den Sockel zu wuchten. Danach hob er Julian hoch, damit der Kleine den Kopf aufsetzen konnte. Dann jagte er ihre Söhne durch den Garten und heulte in gespieltem Entsetzen auf, als sie ihn mit Schneebällen bewarfen.
Lächelnd und mit feuchten Augen sah Violet zu.
„Frieden! Frieden!“, rief Rudy und kämpfte sich durch den tiefen Schnee zu ihr zurück. „Hey. Geht es dir gut?“
Sie nickte. „Es ist nur so lange her …“ Sie schluckte. „Den Jungs gefällt es so gut hier.“
„Genau wie ihrer Mutter. Komm schon, Violet. Du weiß genau, es hätte dich umgebracht, das hier zu erben, nur um es gleich wieder zu verkaufen …“
„Mama!“, rief Julian. „Hast du unseren Schneemann gesehen? Rudy hat geholfen!“
„Ja“, rief sie mit klopfendem Herzen zurück. „Seid ihr zwei warm genug angezogen?“
George reckte den Daumen in die Höhe, bevor sein Bruder ihn wie beim Football umwarf und er hinter eine Schneewehe verschwand.
„Und?“ Rudy schippte weiter. „Habe ich recht? Mit dem Haus, meine ich.“
„Natürlich liebe ich das Haus“, gab sie zu. „Immer schon.“ Sie schaute zu ihren Söhnen hinüber. „Aber ich hab mir das Träumen abgewöhnt, Rudy. Ich bin realistisch geworden. Mein erster Fehler war, mich von Mitch retten zu lassen. Der zweite war zu glauben, dass es die Jungen und mich retten könnte, wenn ich den Gasthof erbe. Ich darf mich nur noch auf mich selbst verlassen.“
Er schwieg einige Sekunden lang. „Und wenn Mitch zurückkommt?“
Ihr stockte der Atem. „Wir sind geschieden, schon vergessen?“
„Na und?“
Ein Angelausflug mitten im Winter. Aber sie würde den Köder nicht schlucken.
„Hast du immer noch vor, deine Ausbildung fortzusetzen?“, fragte Rudy, als sie nicht antwortete.
„Ja. Irgendwie. Irgendwann. Aber jetzt?“ Violet zuckte mit den Schultern. „Ich lebe jeden Tag für sich. Keine Versprechungen, keine … Verwicklungen, keine Verpflichtungen.“ Sie sah ihn an. „Außer gegenüber meinen Söhnen.“
„Und dir selbst.“
„Ja. Und mir selbst.“
„Soll heißen, du willst sicher sein, dass du als Erste gehst?“, fragte Rudy leise.
Violet schwieg einen Moment, dann wandte sie sich ab und ging zum Haus.
„Aber in einer Hinsicht irrst du dich“, rief er, als sie schon die Stufen hinaufstieg.
Sie drehte sich um. „In welcher?“
„Du hast das Träumen nicht aufgegeben, du träumst nur anders als früher.“ Eine glitzernde Schneewolke flog über seine Schulter. „Und das bedeutet doch, dass du irgendwann wieder richtig träumen kannst, oder?“
Sein zufriedenes Schmunzeln verfolgte sie bis ins Haus.
Vom Erkerfenster aus hatte Stacey ihren Vater und Violet beobachtet, ohne verstehen zu können, was sie sagten. Und dann hatte ihr Dad auch noch mit den Jungen im Schnee getobt. Er liebte Kinder. Er liebte Menschen. Deshalb würde er wahrscheinlich auch ein guter Gastwirt sein.
Sie ließ sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Sie musste aufhören, sich wie eine Idiotin zu benehmen. Ihr Dad konnte nicht für immer wie ein Mönch leben …
„Stacey? Dürfen wir reinkommen?“
Sie hob den Kopf. George und Julian standen vor der offenen Tür. Genauer gesagt, sie tropften vor der Tür.
„Zieht sofort die Schneeanzüge aus!“, befahl Stacey. So viel zu meinem Versteck unter dem Dach. Die beiden folgten ihr überallhin. Manchmal ging es ihr auf die Nerven, manchmal machte es Spaß, sie herumzukommandieren. „Was ist mit dem Schneemann?“
„Der
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