Wo unsere Träume wohnen
nicht willst, willst du eben nicht. Glaub mir, ich kenne das. Trotzdem …“ Rudy zog die Mundwinkel herunter. „Schade.“
„Finde ich auch“, erwiderte Violet, und er schmunzelte.
Seine tiefe, melodische Stimme ging ihr unter die Haut, und sie sehnte sich danach, seine kräftigen Arme um sich zu fühlen. Nein, dachte sie streng, es wäre nicht richtig.
Die Heizung sprang an wie eine riesige Katze, die im Keller schnurrte und das Haus mit Wärme erfüllte. Seufzend schaute Rudy erst die Treppe hinauf, dann zu Violet hinüber. Fast flehentlich.
„Ooooh, nein. Ich habe mich schon mal eingemischt, und mit welchem Ergebnis?“, wehrte sie ab.
„Vor dem Umzug war sie … anders.“
„Du kennst dich mit zwölfjährigen Mädchen nicht aus, was?“
Er rieb sich eine Wange. „Wie schafft man es, sie zu verstehen, ohne sich von ihnen tyrannisieren zu lassen?“
„Ich nehme an, das ist eine rhetorische Frage.“ Rudy seufzte dramatisch. „Was willst du tun, wenn sie wirklich nicht hierbleiben will?“, fragte Violet.
Er sah sich um. Die Wände waren kahl und fleckig. Im Nebenraum standen ein paar Möbel herum, die Kevin vor dem Sperrmüll gerettet hatte.
„Ich muss nachsehen, was die Jungen treiben“, brach sie das Schweigen. Dass er ihr nicht antwortete, traf sie.
„Ja.“ Er öffnete ihr die Haustür. „Ich sollte draußen weitermachen. Sonst sitzen wir hier fest, bis es im Frühjahr taut.“
Violet eilte über den schmalen Weg, den Rudy freigelegt hatte, kam jedoch nicht sehr weit, denn ihre Söhne hatten die Lust am Fernsehen verloren und bauten einen Schneemann.
„Sollen wir helfen?“, flüsterte Rudy hinter ihr.
„Nur wenn sie uns dazu einladen.“ Sie drehte sich um und blinzelte in die Sonne, die seinen Zwei-Tage-Bart deutlich hervortreten ließ. Ihr Blick fiel auf seinen Mund.
Hör sofort auf damit.
„Wie lange dauert es noch, bis dir das Geld ausgeht?“, fragte sie und setzte die Mütze auf.
Er antwortete nicht sofort. „Du machst dir Gedanken, was?“
„Ich weiß, wie viel Patty Hicks für den Gasthof verlangt hat. Ich weiß auch, dass Polizisten nicht gerade großes Geld verdienen. Ich will nur keine unliebsamen Überraschungen, Rudy. Zum Beispiel die, dass du hier unerwartet aufgibst und die Jungen und ich mal wieder auf der Straße sitzen.“
„Violet.“ Als sie ihn nicht ansah, berührte er ihre Wange, bis sie es tat. Er ließ die Hand sinken, und in ihren Augen spiegelten sich Erleichterung und Enttäuschung zugleich. „Niemand wird dich und die Jungs im Stich lassen, okay?“
„Ich widerspreche nur ungern, aber es wäre nicht das erste Mal.“
„Mag sein, aber ich tue es nicht.“ Er seufzte. „Jedenfalls nicht vor Ablauf eines Jahres. Mein Versprechen an Stacey“, fügte er betrübt hinzu. „Aber um dich zu beruhigen …“ Rudy griff nach der Schneeschippe, und sie hörte den Kunststoff über den Zement kratzen. „Vor ein paar Monaten hatte ich eine unverhoffte Einnahme. Von einem netten alten Knaben, der in meinem Bezirk lebte. Ein Witwer ohne Kinder. Ich habe ihm ab und zu geholfen, im Garten oder im Haus. Tony war ein lustiger Kerl. Stace und er waren die besten Freunde. Na ja, kurz gesagt, als er starb, hat er mir alles hinterlassen. Seine Ersparnisse, das Haus und eine Briefmarkensammlung, die ein kleines Vermögen wert war.“
Er warf Violet einen Blick zu. „Das hat mich nicht reich gemacht, aber plötzlich hatte ich genug, um etwas für Staceys Ausbildung zurückzulegen, in meine Altersversorgung zu investieren und das Gasthaus sofort zu kaufen. Es ist noch genug übrig, um durchzuhalten, bis er wieder etwas abwirft.“ Er lächelte. Es sollte wohl aufmunternd sein.
„Aber warum ausgerechnet ein Gasthof? Ist das nicht langweilig, nachdem man Polizist war?“
„Genau. Eigentlich sollte ich faul am Strand liegen. Das hier kommt dem nahe, und ich verdiene auch noch Geld. Was will ich mehr?“
„Tut mir leid, wenn ich dir deine Illusionen rauben muss, aber ein Gasthof betreibt sich nicht von allein“, wandte sie ein.
Rudy stützte sich auf die Schneeschippe. „Das weiß ich, Violet. Und wie dir vielleicht aufgefallen ist, scheue ich mich nicht vor harter Arbeit. Was soll ich denn sonst tun? Forscher werden? Anwalt? Etwas erfinden, das mir ein paar Millionen einbringt?“ Er schüttelte den Kopf. „Mir ist klar, dass es schwierige Gäste gibt oder dass etwas ausgerechnet dann kaputtgeht, wenn man es am meisten braucht. Aber nach zwölf Jahren
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