Wo unsere Träume wohnen
umspielten ihr Porzellanpuppengesicht und fielen auf die weite, beigefarbene Strickjacke. Darunter trug sie einen nicht annähernd so weiten Rollkragenpullover.
Kevin kam herein, ungekämmt, aber immer noch attraktiver als fünfundneunzig Prozent der männlichen Bevölkerung. Er setzte sich und lächelte Violet zu, bevor er sich zu seinem Bruder drehte. „Ich habe oben im vorderen Zimmer die Heizung angestellt“, sagte er und strich Butter auf den ersten Pfannkuchen. „Jetzt können wir dort arbeiten.“ Es war so kalt geworden, dass die Holzöfen und Heizstrahler nicht mehr ausreichten.
„Ist das das Zimmer von Doris?“ Violet schenkte ihm Kaffee ein.
„Keine Ahnung – das mit der gelben Rosentapete.“
„Ja.“ Sie setzte sich zu ihnen. „Das war ihres. Und Creightons. Ich wollte sie überreden, nach unten zu ziehen, damit sie nicht mehr die Treppe hochsteigen muss. Aber sie meinte, dann würde sie die Eichhörnchen vermissen. Die wohnten in der alten Eiche vor dem Fenster“, erklärte sie den Kindern und stand auf. „Doris hat sie immer gefüttert.“
„Das erklärt die dicke Schicht in der Dachrinne.“ Grinsend sah Kevin die Kinder an. Sie schüttelten sich. „Aber nicht das Klappern im Heizkörper.“
„Klappern?“, fragte Rudy über seinen Becher hinweg.
„Ja. Als ob etwas darin gefangen ist. Ich werde mal nachsehen.“
„Es ist verrückt, was sich alles darin verfängt“, sagte Violet, während sie Gläser und Becher auffüllte. Die Frau ist permanent in Bewegung, dachte Rudy und wehrte sich verzweifelt gegen das Bild ihres Körpers, das ihm ständig vor Augen stand. „Zumal die Verkleidung ewig nicht mehr abgenommen wurde.“
„Das muss das Gespenst sein“, sagte Kevin. Die Augen der Jungen wurden groß, und Stacey verdrehte ihre.
„Mama?“, flüsterte Julian ängstlich.
„Hör nicht auf ihn“, erwiderte Violet und schlug mit dem Geschirrtuch ganz leicht gegen Kevins Hinterkopf. „Sie sollten sich schämen. Ehrlich.“
Rudy verbarg sein Lächeln hinter dem Becher, doch Stacey entging es nicht. Seine Tochter runzelte die Stirn, was wiederum Violet nicht entging. Das muss aufhören, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte nicht vor, über die Frau herzufallen, aber er war es verdammt noch mal leid, vor einer Zwölfjährigen Verstecken zu spielen.
Nach dem Frühstück sahen die Jungen sich wie jeden Samstag im Fernsehen Zeichentrickfilme an, und Kevin ging wieder nach oben. Bevor auch Stacey verschwinden konnte, schlug Rudy ihr vor, ihn beim Schneeschippen zu unterstützen.
„Ist das dein Ernst?“, entgegnete sie ungläubig.
„Hey. Du bist alt genug für ein Handy.“ Ja, da hatte er nachgegeben. „Dann bist du auch alt genug, um mir zu helfen.“
„Dad …“
„Außerdem müssen wir uns unterhalten. Wir treffen uns vorn.“
Zehn Minuten später kam ein missmutiger Jung-Teenager über die Veranda geschlurft und riss ihm die Schippe aus den Händen.
„Hey.“
„Selber hey.“ Schnee flog über ihre Schulter. „Ich mache nur, was du wolltest. Auch wenn ich’s doof finde.“ Sie sah ihn an. „Du doch auch, oder?“
Okay, Schneeschippen war nicht gerade sein Lieblingswintersport. „Erwischt. Aber weißt du, was ich noch weniger mag?“, sagte er, denn für einen Vaccaro war es genetisch unmöglich, seinen Ärger herunterzuschlucken, bis er daran erstickte. „Das Gefühl zu haben, ein Verbrechen zu begehen, weil es meine Tochter stört, dass ich mit jemandem rede.“
Sie hörte auf zu schaufeln und starrte ihn an. Gleiches Recht für alle, dachte er. „Wovon redest du?“
„Das weißt du ganz genau. Glaubst du, ich sehe nicht, wie du die Stirn runzelst, sobald ich ein paar Worte mit Violet wechsle? Hast du eine Ahnung, wie peinlich das ist?“
Stacey wirbelte herum. „Peinlich ist höchstens, dass mein Vater sich … wie ein Teenager benimmt!“
„Wovon redest du jetzt?“
„Mich stört nicht, dass du mit ihr redest.“ Schnee flog durch die Luft. „Mich nervt, wie ihr euch anseht! Das ist …“ Sie schüttelte sich.
„Stace – du meine Güte, ich lasse mich nicht aufs Altenteil schicken! Was erwartest du von mir? Dass ich für den Rest meines Lebens keine Frau mehr ansehe?“
Mit apfelroten Wangen hielt seine Tochter inne. „Müssen wir wirklich über das hier reden?“
„Ja, Stace, das müssen wir. Weil ich dir jetzt mitteile, dass ich mir nicht vorschreiben lasse, mit wem ich rede oder wen ich ansehe. Und nicht nur das, eines Tages gehe
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