Wo unsere Träume wohnen
Belastung standgehalten hätte.
Mit leeren Händen kehrte Rudy zu ihr zurück. Das überraschte sie nicht. Die Sachen waren wunderschön, aber völlig überteuert.
„War nichts?“, fragte sie.
„Nein.“ Er führte sie hinaus und eilte zum Wagen. Die Sonne war wieder hinter den Wolken verschwunden, die Luft war feucht und kalt. „Der Typ hat gesagt, wir können nach vier wiederkommen. Wenn der Tisch dann noch da ist, geht er vielleicht mit dem Preis herunter.“
„Es ist nur ein lausiger Tisch“, murmelte sie beim Einsteigen. „Nicht die Mona Lisa.“
Rudy setzte sich ans Steuer. „Wollen wir noch anderswohin?“
„Ich weiß nicht“, erwiderte Violet fröstelnd. „Das Wetter wird immer schlimmer.“
Er nahm eine Fleecedecke vom Rücksitz, warf sie ihr zu, startete den Motor und schaltete die Heizung ein. „Ich habe Hunger. Was ist mit dir?“
„Na gut, essen wir etwas.“
„Und danach der letzte Versuch? Es ist ganz in der Nähe. Zehn Meilen. Und auf dem Weg.“ Rückwärts fuhr er aus der holprigen Einfahrt.
Gähnend kuschelte Violet sich unter die warme Decke, die nach Fast Food, Staceys Shampoo und ein wenig nach Rudy roch. Schön.
„Wird dir warm?“, fragte er. Violet nickte. Das Prasseln des Regens, der eben einsetzte, das rhythmische Geräusch des Scheibenwischers und Rudys leises Summen waren einschläfernd, und bald fielen ihr die Augen zu …
„Verdammt!“, entfuhr es Rudy, und sie hob gerade noch rechtzeitig den Kopf, um den grauen Schatten zu sehen, der aus dem Wald schoss, direkt vor den Wagen.
Rudy wich nach rechts aus und brachte den Wagen inmitten des am Straßenrand wuchernden Unkrauts zum Stehen. Violet stieß die Tür auf und achtete beim Herausklettern nicht auf den eisigen Regen. Sie rannte nach vorn und näherte sich dann zögernd dem größten Hund, den sie jemals gesehen hatte. Das Tier war so zerzaust wie der Busch, neben dem es mit zitternden Flanken lag.
„Komm her, Kleiner, komm her“, hörte er sie gurren, während sie die Kapuze aufsetzte. „Es ist alles gut. Niemand tut dir etwas …“
Der Hund wedelte mit dem Schwanz. Langsam und schwach.
Seufzend stieg Rudy aus. Wenn schon er bei diesem Mistwetter nach zehn Sekunden erbärmlich fror, wollte er sich lieber nicht vorstellen, wie es dem armen Vierbeiner ging.
Der Hund drehte sich auf den Rücken, als Violet sich über ihn beugte. „Ooooh“, entfuhr es ihr. Sie strich ihm über den mageren Rumpf. „Rudy, er ist halb verhungert! Wir können ihn unmöglich hierlassen!“
Ja, genau das hatte er geahnt.
„Hat er ein Halsband?“
Die Kapuze bewegte sich. „Nein. Ich wette, irgendein grausamer Mensch hat ihn ausgesetzt.“
Inzwischen war Rudy den beiden so nahe, dass der Hund ihm die Hand lecken und ihn mit riesigen braunen Augen flehentlich anschauen konnte. „Für ein misshandeltes Tier ist er ziemlich friedlich.“
„Sieh ihn dir doch an! Und wir hätten ihn fast …“ Sie schluchzte leise auf, und Rudy legte einen Arm um sie. Der Hund stand langsam auf und versuchte, ihr das Gesicht abzulecken.
„Dem Hund geht es gut“, versicherte Rudy. „Beruhige dich.“
Wie zur Bestätigung bellte der Hund. Violet streichelte ihn. „Er könnte doch auf der Decke liegen.“
Auch das hatte Rudy geahnt.
Eine halbe Stunde, drei große Burger und zwei Flaschen Wasser später war ihr Anhalter auf dem Rücksitz eingeschlafen. Auf der Fleecedecke. Violet schien es nichts auszumachen, dass es im ganzen Auto nach nassem Hund roch. Ganz zu schweigen davon, wie eine Überdosis Fast Food sich auf seine Verdauung auswirken würde. Auch der Wagen würde nie wieder der Alte sein.
„Wahrscheinlich gehört er jemandem“, gab Rudy zu bedenken, als sie das letzte Ziel des Tages ansteuerten. „Wir können ihn nicht einfach behalten.“
Ihre Blicke trafen sich, bevor Violet seufzend nach hinten schaute. „Vielleicht wissen die Leute, zu denen wir fahren, ja etwas über ihn.“
Rudy konnte es nur hoffen.
Als sie das modernisierte Blockhaus am Silver Lake erreichten, hatte der Wind zugenommen, und in den Regen mischten sich die ersten Schneeflocken. Violet war es egal, denn unter den üblichen Stühlen und Sesseln im nachgemachten Early-American-Stil entdeckte sie ein paar schöne Stücke, die wunderbar in den Gasthof passten.
Sie versuchte, sich die Begeisterung nicht anmerken zu lassen.
„Ihr beiden habt wirklich Mut“, sagte der Verkäufer, ein spindeldürrer Mann in Cordhose und Flanellhemd. „Das
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