Wo unsere Träume wohnen
allein?“
Rudy lächelte. „Wir sind Partner, Violet. Und du hast selbst gesagt, dass Nachlässe ideal sind, um ein paar schöne Stücke für den Gasthof zu finden. Stimmt’s?“
„Stimmt“, bestätigte sie und stand so hastig auf, dass ihr Stuhl fast umgekippt wäre. „Wer möchte noch etwas?“, fragte sie und redete sich ein, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie Rudy im Beisein seiner eigenen Tochter schmunzelte.
10. KAPITEL
Sie brachen nicht so früh auf, wie Rudy gehofft hatte. Erst gegen elf Uhr am Samstagvormittag ließen sie den Gasthof und die Kinder hinter sich und fuhren durch den grauen Tag in Richtung der Grenze zu Vermont.
„Stacey hat bald Geburtstag“, sagte Violet nach etwa zwanzig Minuten.
„Ihr dreizehnter.“ Rudy schüttelte sich übertrieben.
Sie lachte. „Hast du schon über die Party nachgedacht?“
„Party?“
„Luftballons, Geschenke, Torte?“
Er warf ihr einen hilflosen Blick zu. Bisher hatte seine Mutter sich immer darum gekümmert. „Ich nehme an, Topfschlagen zieht nicht mehr.“
„Nein. Eher eine Pyjamaparty mit einem halben Dutzend Freundinnen.“
„Sechs dreizehnjährige Mädchen auf ein Mal? Im Haus?“
„Wir tragen Ohrstöpsel. Aber wir könnten doch auch deine Familie einladen.“ Er runzelte die Stirn. „Genug Platz haben wir“, fügte sie hinzu.
„Das ist nicht das Problem.“ Rudy seufzte. „Stacey scheint sich endlich mit dem Umzug abgefunden zu haben. Meinst du nicht, es könnte alte Wunden aufreißen, wenn sie alle wiedersieht?“
„Im Gegenteil.“ Er schwieg. „Vertrau ihr, Rudy. Vertrau dir selbst. Du hast die richtige Entscheidung getroffen.“
„Vielleicht solltest du deinen eigenen Rat beherzigen.“
„Wie meinst du das?“
„Es sind jetzt drei Wochen. Und zwei Tage.“ Er sah sie an. „Ich warte noch immer.“
„Nicht, dass du zählst …“
„Und achtzehn Stunden und …“ Er schaute auf die Uhr. „Vierzehn Minuten.“
Es dauerte einen Moment, bis sie antwortete. „Ich habe gesagt, ich werde darüber nachdenken.“
„Und?“
„Ich tue es noch.“
„Wenigstens ist das kein Nein.“
„Nein, ist es nicht.“
„Ich möchte nur wissen, gegen wen ich antrete.“
„Du trittst gegen niemanden an.“
„Süße, ich bin ein Mann. Für mich ist alles Wettbewerb. Wenn ich nicht das Problem bin, muss es ein anderer Kerl sein“, sagte Rudy leise.
„Es muss bequem sein, alles nur schwarz-weiß zu sehen.“
„Meistens ist was dran.“
„Es gibt noch eine dritte Möglichkeit.“
„Und wie sieht die aus?“, fragte er.
„Dass nicht alles schwarz oder weiß ist.“ Violet zögerte. „Weißt du, für einen Außenstehenden ist es immer leicht, jemandem zu sagen, was er denken oder fühlen soll, nicht wahr?“
„Du meine Güte, Violet, das …“
„Lass mich ausreden, Rudy. Bitte. Ich kann mir noch so oft sagen, dass ich Mitch vergessen und aufhören muss, die Vergangenheit zu glorifizieren. Jedenfalls die Zeit mit ihm. Ich will genau das tun, ich will nach vorn sehen und mit Volldampf ein neues Leben beginnen. Aber das will eben nur ein Teil von mir. Als Mitch mich verlassen hat … ist etwas in mir zerbrochen. Etwas, das inzwischen verheilt ist, aber ich wage noch immer nicht, es zu belasten.“
Rudy legte die Hände fester ums Lenkrad. „Du liebst ihn noch?“
„Ich wünschte, ich könnte mit einem klaren Ja oder Nein antworten“, gab Violet leise zu. „George fragt mich andauernd, wann sein Daddy zurückkommt und ob er heute geschrieben hat. Er erinnert sich nur an die glücklichen Zeiten.“
„Selbst nach zwei Jahren?“
„Mitch war immer gut zu den Kindern. Immer.“
„Bis zu dem Tag, an dem er abgehauen ist.“
„Ja. George ist verwirrt, aber das bedeutet nicht, dass er seinen Vater abschreibt.“
Nervös tippte Rudy mit dem Finger aufs Lenkrad. „Ich habe gehört, dass Mitch dir das Leben gerettet hat. Ist das wahr?“
„Das hast du von Betsy, was?“ Sie seufzte. „Wie viel hat sie dir erzählt?“
„Erst musst du mir versprechen, sie nicht umzubringen.“
„ Was hat sie dir erzählt, verdammt ?“
Rudy zögerte. „Dass dein Stiefvater dich misshandelt hat. Unter anderem. Dass Mitch und seine Mom dich aufgenommen haben. Dass du es bei ihnen gut hattest. Und dich irgendwann in ihn verliebt hast.“
„Es war ein wenig komplizierter.“
„Ich höre.“
Violet wühlte in ihrer Handtasche nach einem Schokoriegel. „Mitch war freundlich zu mir.“ Sie wickelte ihn aus und
Weitere Kostenlose Bücher