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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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…«
    Das klang ein wenig abschätzig. War das wirklich so? … Oder? … Oder hatten mich meine eigenen Worte wieder in eine Befürchtung hineingezogen? … Dieses Mal genierte ich mich ein wenig, mein Gefühl in Worte zu fassen.
    »Na toll! … Aber warum weiß ich dann nichts davon? …«
    Meine Worte verfehlten nicht ihre Wirkung. Ich hörte jetzt eine Frauenstimme, die besorgt war, falsch verstanden worden zu sein.
    »Nee, ich meine es ganz ernst … Es gibt viele Menschen in diesem Land, die tun wollten, was du getan hast, und denen es nicht gelungen ist …«
    Ihre Worte waren zweifellos teilweise berechtigt. Unser Blick aufs Leben mochte unterschiedlich sein, entsprechend dem Punkt, an dem wir uns gerade befanden oder zu sein entschieden hatten. Doch eigentlich wichtig war, ob das, was wir getan hatten, das war, was wir hatten tun wollen … Ich kannte die Frage. Auch war mir das Problem nicht fremd. Doch in diesen Momenten konnte ich nicht tiefer darauf eingehen. Ich konnte den Abstand dazwischen nicht so leicht überwinden. Ich konnte die Frage nur in anderer Form stellen. Durch meine Betonung … Vielleicht auch so, als wünschte, erwartete ich heimlich eine Bestätigung …
    »Wirklich? …«
    Hörte sie meine Stimme? … Sie hörte sie wohl. Das konnte ich aus der Spontaneität in ihrer Stimme schließen, aus ihrer mir nun aufrichtiger erscheinenden Wärme.
    »Ganz sicher … Glaub mir, so ist es … Was die Leute alles erleben …«
    Sie hielt ein wenig inne. Ich schwieg, weil ich fühlte, daß noch etwas kommen sollte. Sie fuhr fort.
    »Oder nicht erleben können …«
    Ich war beeindruckt von dem Gehörten. Ich war betroffen. In dem Moment dachte ich, ich hätte ihr vielleicht unrecht getan. Das Leben hatte sie vielleicht wirklich zu einem Menschen gemacht, der Förmlichkeiten, gewöhnliche, alltägliche Gespräche für unnötig hielt und es vorzog, ganz spontan zu leben. Ich versuchte, der Spur des Gefühls zu folgen, das durch die Grenze, an die ich gestoßen war, in mir erwacht war.
    »Vielleicht … Was weiß ich? … Was machst du denn? …«
    Bei der Antwort auf meine Frage bekam ihre fröhliche, warme Stimme einen unbestimmt verführerischen Beiklang. Ich liebte diesen Ton. So langsam konnte ich in ihr Leben eintreten.
    »Auch ich bin verheiratet … Das ist schon meine zweite Ehe … Ich habe lange in Tel Aviv gelebt. Jetzt bin ich hier. Ich habe dort einen Sohn aus meiner ersten Ehe … Er lebt schon allein. Manchmal besucht er mich hier als Tourist. Er ist dort geboren und aufgewachsen …«
    Auch ihre Geschichte weitete sich auf andere Bereiche aus. Sie erzählte davon, wie auch Şeli die Jahre, in denen wir getrennt waren, mit anderen Gefühlen, Opfern und Menschen verbracht hatte. Mir war bewußt, die Geschichte war ebenfalls lang und enthielt einen Kampf mit seinen Siegen und Niederlagen. Mir war bewußt, daß es bei Telefongesprächen zwangsläufig Abstände, Mauern gab, doch da wir nun mal an eine solche Grenze gestoßen waren, wollte ich nicht umkehren. Ich traute mich, einen weiteren Schritt zu tun, und hoffte, mehr zu hören.
    »Hast du Sehnsucht nach ihm? …«
    Diese Frage brachte auch eine geheime, tiefe Besorgnis zum Ausdruck. Ich konnte natürlich nicht wissen, was sie fühlte. Doch ihre Stimme schien mir mit einemmal von einer Tiefe zu erzählen …
    »Und wie! … Ich kann gar nicht sagen, wie sehr! …«
    Sie hielt wieder inne, schwieg. Nach einer kurzen Unterbrechung fuhr sie fort:
    »Aber davon möchte ich am Telefon nicht sprechen.«
    Ich verstand, zumindest spürte ich, was sie meinte. Als verbärge sich, atmete dort wirklich ganz tief innen etwas nicht leicht zu Bestimmendes, das ich nicht benennen konnte. Dieses Mal konnte ich nicht weiter darauf eingehen. Ich bemühte mich nur, möglichst ungezwungen das Thema zu wechseln, ohne mich von unserer neu erreichten Vertrautheit zu entfernen. Indem ich ihr Interesse auf mich zu lenken versuchte …
    »Eigentlich habe ich mich auch sehr danach gesehnt, mit dir dazusitzen und ganz lange zu reden …«
    Meine Worte machten wirklich Eindruck. Aus ihrer Stimme entnahm ich Interesse und Besorgnis. Die Betonung und die Kürze ihrer Frage waren für mich ziemlich aussagekräftig.
    »Was ist denn passiert?«
    War das die Frage einer befreundeten Frau oder einer, die sich plötzlich glaubte verteidigen zu müssen? … Die Frage war sinnvoll, aber sicherlich war auch der Zweifel berechtigt. Denn meine Antwort konnte mir einen weiteren

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