Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
einer dritten Person miteinander bekannt zu machen … Weißt Du noch, wie Du uns zum Lachen gebracht hast durch Deine Imitationen und improvisierten Sketche? Wie wir darauf immer gesagt haben, heiratet man denn so, Mensch, wenn es die Liebe gibt, solche bourgeoisen Ehen sind nichts für uns. Wie können wir das vergessen? … Einmal – erinnerst Du Dich an den Abend –, als es gerade wieder um dieses Thema ging und Du uns alle durch Deine Clownerien so weit gebracht hattest, daß wir uns fast in die Hosen gemacht hatten vor Lachen, ist Şeli plötzlich ernst geworden und hat uns geradezu wie im Unterricht erklärt, daß das Wort die Abkürzung des französischen Wortes › proposition ‹, also Vorschlag, sei und daß wir uns manchen Vorschlägen gegenüber nicht verschließen dürften; daß außerdem Ehen, die auf diese Weise geschlossen würden, zufriedener verliefen als viele Liebesheiraten. Daraufhin bist Du aufgestanden und hast gesagt: ›Behalt deine Weisheiten für dich, du sephardische Bäuerin!‹, und sie hat Dir auf diesen Ausfall hin ihr Glas mit Fruchtcocktail ins Gesicht geschüttet und geschrien: ›Der Bauer ist dein Vater, du Rabbinersohn! Kommunistischer Bastard!‹ Du hast mit vom Cocktail besudeltem Gesicht und Kleidung weiter dagesessen. Zuerst waren wir perplex, dann haben wir angefangen zu lachen. Wir drei waren, um sie nicht allein zu lassen, zuerst im Kino Site in einem Film gewesen, an den ich mich jetzt nicht mehr erinnere, dann hatten wir uns ins Café Bonjour gesetzt. Das war, als sie mit Yorgos wieder einmal gestritten hatte und sich bei ihr zu Haus mit jedem Tag die Stimmung verschlechterte … Wir mußten von dort natürlich sofort aufbrechen. Auf dem Weg hast Du zu Şeli gesagt, Du habest ihr Verhalten als sehr erregend empfunden. Sie aber hat Dich erneut beschimpft. Dann haben wir Dich nach Hause begleitet. Als Dein Vater, der uns an der Türe entgegenkam, bei Deinem Anblick sagte: » Mira lonso! Schau mal den Bären an! Du bist wohl wieder besoffen!«, lachten wir erneut los. Und zu Şeli meinte er ganz väterlich, indem er auf uns zeigte: »Aber Kindchen, warum ziehst du mit solchen Viechskerlen rum?« Was hätte er wohl gesagt, wenn er gewußt hätte, was Şeli vorher über ihn geäußert hatte? … Meiner Ansicht nach hätte er gelacht, auch er hätte sehr gelacht. Er war ein außergewöhnlicher Mensch, hoffentlich lebt er noch. Meine Eltern sind gestorben, alle beide sind tot … Ach, was waren das doch für Zeiten! … Schau, wohin ich im Reden abgeschweift bin. Also kurz gesagt habe ich mich zu gegebener Zeit für einen solchen ›Vorschlag‹ offen gefühlt, mein Freund. Meine Mutter, die sich wegen meines Vagabundenlebens große Sorgen gemacht und oft geäußert hatte, ich würde, wenn es so weiterginge, noch zum ›Goi‹ werden, ließ die Gelegenheit nicht verstreichen, als sie mich in diesem Zustand der Kapitulation erwischte, und suchte die Hilfe von Madame Eliza, von der sie glaubte, sie habe bei solchen Eheanbahnungen großes Geschick bewiesen und gute Arbeit geleistet. Madame Eliza genoß damals gerade ihre dritte Ehe, wobei sie mit dem ›Gewinn‹ aus ihren beiden ersten Ehen fast wie eine lustige Witwe lebte, und binnen kurzem tat sie aufgrund ihrer Kenntnisse das Erforderliche, so gut, wie es ihrem Ruf entsprach. Sie erhielt selbstverständlich ihre Anerkennung, indem sie beim Hochzeitsessen, das wir im Sheraton Hotel gaben, an einem der besten Tische plaziert wurde … Çela hatte ich auf die Dachterrasse desselben Hotels geführt, um sie ›kennenzulernen‹. Manchmal erinnere ich mich, wenn ich daran vorbeikomme. Das Hotel gibt es immer noch, nur unter anderem Namen. Jene Tage kann ich sowieso nie vergessen. Ich habe mich damals wie gegen meinen Willen an einen unbekannten Ort verschleppt gefühlt. Erst mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und mich davon befreit, meine Erlebnisse befremdet, ja wie ein Außenstehender wahrzunehmen.
Ich habe das Geschäft meines Vaters so stark ausgeweitet, wie ich es anfangs nicht für möglich gehalten hätte. Wenn man mir in meiner Studentenzeit gesagt hätte, ich würde im Handel solche Erfolge haben, hätte ich wahrscheinlich bloß gelacht. Doch es hat geklappt. So sind die Jahre vergangen. Den Laden gibt es auch noch, doch inzwischen ganz anders als in dem altmodischen Zustand, den Du kennst. Ich verkaufe auch keine Drogeriewaren mehr. Ich bin in den Handel mit Leichtölen eingestiegen. Wir verkaufen Grundstoffe
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