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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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an große Fabriken. Das Geschäft hat sich längst eingespielt. Im Vertrauen darauf drücke ich mich auch manchmal. Ich bin nicht mehr so fleißig und diszipliniert wie anfangs. Inzwischen habe ich sowieso einen anderen Traum. Dieser Traum ist für mich sehr, sehr wichtig. Denn ich weiß nicht, wie lange ich noch leben werde … Na gut, davon reden wir ein andermal … Ein andermal reden wir auch über meine Kinder, wie ich das Vatersein erlebt habe, über meine Fotografiererei, über mein Musik- und Filmarchiv. Aus diesen Worten kannst Du auch entnehmen, was ich sonst noch so gemacht habe. Du wirst sehen, für die Details nehmen wir uns richtig Zeit. Du fragst vielleicht: Und wie? …
    Ich will Dir nun den Grund erklären, von dem ich zu Beginn meiner Mail gesprochen habe … Halt Dich fest! Ich versuche, die ›Schauspieltruppe‹ wieder zusammenzubringen! … Um das Stück nach Jahren neu auf die Bühne zu stellen! … Was sagst Du dazu? … Du wirst es nicht glauben, aber ich habe alle Register gezogen und die Spur von allen gefunden. Von Şebnem, Necmi, Yorgos, Şeli … Ich habe mit allen gesprochen. Nur Du bist noch übrig. Doch auch Dich habe ich endlich erreichen können. Ich hoffe, ich habe Dich tatsächlich erreicht. Wenn Du wüßtest, was alles passiert ist, welche Kämpfe ausgestanden, welche Schwierigkeiten überwunden wurden. Die Lebensgeschichten von allen sind als Filmstoff geeignet, exakt als Filmstoff, glaub mir. Ich bin mir sicher, das gilt auch für Deine Geschichte. Im Grunde gibt es schwerwiegende Hindernisse. Manche kannst Du Dir vorstellen, manche ahnst Du nicht mal. Wenn Du kommst, wirst Du alles sehen … Doch ich habe Hoffnung, mit jedem Tag hoffe ich mehr. Auch Du mußt Deinen Platz in diesem Abenteuer unbedingt einnehmen. Unbedingt, verstehst Du? … Paßt es Dir, für eine kurze Zeit Deines Lebens hierherzukommen? … Wir müssen einige Proben abhalten und den Text überarbeiten. Und außerdem kommen wir wieder zusammen, nicht schlecht, was? … Wir waren eine gute Truppe, das habe ich nie vergessen. Solche Gemeinsamkeiten erlebt nicht jeder. Eine Bühne kann ich organisieren, dazu habe ich eine Idee. Um die Zuschauer brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Çela hat durch ihre Vereinsarbeit viele enge Verbindungen. Auch Şeli sagt, sie würde etwas arrangieren. Sie ist jetzt in Izmir. Du wirst nicht glauben, was für eine attraktive Frau sie geworden ist. Ich weiß teilweise, was sie, was ihr dort in Israel erlebt habt. Wir haben zusammengesessen und lange geredet. Dabei habe ich mich auch ein bißchen über Dich informiert, doch eigentlich möchte ich diese Geschichte von Dir selbst hören.
    Frag nicht, warum ich mir das so sehr wünsche. Ich weiß, daß Du sowieso nicht danach fragst, wenn Dich unsere Zusammenkunft begeistert. Ich kenne Dich. Du kannst Dich nicht derart verändert haben. Wenn es Dich interessiert und Du hierherkommst, werde ich es Dir auf jeden Fall sagen. Wenn es Dich interessiert, wirst Du auch erfahren, was Deinen Freunden passiert ist. Das war's. Ich habe viel mehr geschrieben, als ich wollte. Doch wenn der Mensch sich dem Fluß seiner Gefühle überläßt oder vielleicht wenn er anfängt, langsam alt zu werden, wird er redselig …
    Jetzt bleibt mir nur noch, ungeduldig auf Deine Antwort zu warten.
    Mit allen guten Wünschen …
    Isi
     
    So war meine erste ›Mail‹, also fast wie ein herkömmlicher Brief geschrieben. Ich hatte gelernt, die Technik zu nutzen, doch es fiel mir nicht leicht, mich von den traditionellen Formen des Schreibens zu lösen. Nun gut, ich wollte mich ja auch gar nicht bemühen, mich davon zu lösen … Von den Menschen unserer Generation war nicht zu erwarten, daß wir wie die Kinder der heutigen Zeit schnell schrieben, uns in verkürzten Sätzen und Wörtern ausdrückten. Die Antwort, die ich von Niso bekam, war geeignet, diesen Gedanken zu bestätigen. Ich wartete nicht lange. Vielmehr mußte ich weit weniger warten, als ich geglaubt hatte. Die Antwort erschien etwa zwei Stunden später auf meinem Bildschirm. Ich las das Geschriebene mit großer Aufregung, und beim Lesen erkannte ich mit jeder neuen Zeile, daß ich einen weiteren echten Freund in einer anderen Zeit und einem anderen Land gelassen hatte. An seinem Stil wurde sofort deutlich, daß er die alte Begeisterung, seine Widerspenstigkeit und seinen Witz nicht verloren hatte …
     
    Isi,
    Dein Schreiben hat mich derart aufgeregt, daß ich mir sagte, ich muß einfach sofort

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