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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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Daß ich nicht sprechen konnte … Ich hatte gehört, was ich hören wollte. Ich war dabei, einen Menschen aus der Finsternis zu holen … Ich wußte nicht, wohin ich sie holen würde, doch ich konnte diesen kleinen Sieg in mir, still für mich feiern … Ich feierte ihn … Hatte der Arzt verstanden? … Wahrscheinlich ja. Er hatte gesehen, wie ich gekämpft hatte. Sicherlich hatte er auch gesehen, warum ich diesen Kampf geführt hatte. Schließlich hatte ich gar nicht versucht, mich vor ihm zu verstecken. Nun fehlte nur noch die Belohnung. Jene Belohnung, die die stille Siegesfeier noch bedeutsamer machen würde … Ich wartete nicht lange. Die Stimme am anderen Ende des Telefons stellte jene Frage, die spüren ließ, daß sie das nicht Ausgesprochene gehört hatte …
    »Für wann hatten Sie die Einladung geplant?«
    Es blieben uns noch drei Freitage. Nur drei Freitage … Ich versuchte, meine Aufregung zu verbergen, doch es gelang mir kaum. Wie, wie weit hätte ich das Zittern in meiner Stimme unterdrücken können? … Er hingegen war ruhig, allzu ruhig, sogar so ruhig, daß es mich nervös machte … Ich versuchte, nicht darauf zu achten. Denn es kam nur auf das an, was er sagte. Ich hielt – wörtlich – den Atem an, bereitete mich darauf vor, zuzuhören.
    »Wir finden eine Lösung … Ich werde es so einrichten, daß Şebnem an der Einladung teilnehmen kann. Doch ein ärztlicher Therapeut muß sie unbedingt begleiten …«
    Da war nun also die Belohnung … Daß die Lösung an eine Bedingung geknüpft war, verhinderte die Realisierung meines Traums überhaupt nicht. Deswegen fiel es mir nicht schwer, die Sache gleich festzumachen. Ein weiteres Mal bewies ich meine Begeisterung, meine Entschlossenheit.
    »Sie sind selbstverständlich ebenfalls mein Gast … Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie kämen. Zudem ist es so am besten …«
    Ich spürte, wie er ein wenig zögerte. Vielleicht hatte er diese Antwort nicht erwartet. Zum ersten Mal ertappte ich ihn dabei, daß er unsicher wurde.
    »Das ist möglich … Ich werde darüber nachdenken … Wahrscheinlich geht das … Ich kann es jedoch nicht versprechen …«
    Ich drängte ihn nicht. Ich verstand den Grund für sein Schwanken nicht, dennoch drängte ich ihn nicht. Es genügte mir, daß er eine Lösung fand, beziehungsweise sich darum bemühte. Ich machte mir keine Sorgen, daß er mich womöglich auf halbem Weg hängenließ. Şebnem würde kommen, auf welche Weise und mit wem auch immer. Das konnte ich ihm natürlich nicht sagen. Ich sagte nur, was ich sagen konnte.
    »Das überlasse ich Ihnen … Was muß ich tun? …«
    Er antwortete mit derselben ruhigen Stimme.
    »Ich veranlasse alles Notwendige. Sie dürfen in der Zwischenzeit allerdings nicht ins Krankenhaus kommen. Ich möchte sie noch ein wenig genauer beobachten. An besagtem Freitag dann kommen Sie etwas früher. Es wäre gut, sie vor allen anderen ins Haus zu bringen. Sie soll sich erst ein wenig an die Umgebung gewöhnen. Sie wird sowieso einen Schock erleben, wenn sie ihre alten Freunde sieht …«
    Mir gefiel der Gedanke überhaupt nicht, daß ich Şebnem eine so lange Zeit nicht sehen durfte. Doch es hatte keinen Sinn, durch eine unpassende Reaktion eine angespannte Situation herbeizuführen. Am besten war, sich einverstanden zu zeigen.
    »Gut … Doch ab und zu rufe ich Sie an … Wenn es Ihnen recht ist …«
    Ich überschlug mich fast vor Höflichkeit! … Vielleicht wäre soviel gar nicht nötig gewesen …
    »Sie können immer anrufen, wenn Sie wollen … Schließlich sind Sie ja auch an dieser Rückkehr beteiligt.«
    Die Worte waren ermutigend, doch zugleich auch reichlich bedrohlich, wenn ich über die Realität nachdachte, auf die sich diese Worte bezogen. So langsam drängten sich mir neue Probleme auf. Was tat ich zum Beispiel, wenn Şebnem, so wie ich es mir wünschte, mit ihrem ganzen Wesen ins Leben, in unser Leben zurückkehrte? … War ich bereit, die notwendige Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn sie außerhalb des Krankenhauses ein neues Leben anfing? … Das ›Schauspiel‹ würde wahrscheinlich irgendwie aufgeführt werden. Und danach? … Wohin würde danach ein jeder gehen? Wenn ich an die restliche Zeit meines Lebens dachte, hätte ich mich vor dieser Frage fürchten können, hätte ich mich angesichts all meiner Ausflüchte fürchten können. Doch der Tag war nicht dazu geschaffen, um mir über diese Fragen den Kopf zu zerbrechen. Noch ging es nicht darum. Diese Fragen

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