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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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Freundin seiner Mutter vorstellen will … Wir warteten nicht lange. Nach kurzer Zeit standen wir der Frau des Hauses gegenüber. Ich hatte mich auf eine sehr herzliche Begegnung vorbereitet und wurde nicht enttäuscht. Meine Frau war wieder voll und ganz Herrin der Lage. Dabei hatte sie nicht versäumt, sich zu schminken und sich besonders hübsch zu machen. Sie begrüßte Şebnem mit herzlicher, warmer Stimme und umarmte sie, als wäre diese eine sehr wertgeschätzte, lange erwartete alte Freundin. So herzlich und lebhaft die umarmende Frau war, so perplex und matt war die Umarmte. Trotzdem lächelte sie. Auch in diesem Lächeln lag Wärme. So als sei sie bereit, alle mit Liebe, mit Zärtlichkeit zu betrachten. Vielleicht glaubte sie auch, die Welt, der sie gegenüberstand, nur so ertragen oder erfassen zu können. Nun kam die Reihe an Zafer Bey. Die Ansprache der freundlichen, quicklebendigen Hausherrin, die Sicherheit vermittelte und ihre Gäste sofort zu beeindrucken wußte, wirkte wie längst vorbereitet.
    »Seien auch Sie herzlich willkommen … Isi hat erzählt, was Sie getan haben. Von allem, was Sie getan haben, von ihrem Engagement …«
    Während sie diese Worte sprach, hörte sie nicht auf, Şebnem freundschaftlich anzusehen. Dann fuhr sie an der Stelle fort, wo sie unterbrochen hatte.
    »Durch Ihre Bereitwilligkeit sind wir bis hierher gekommen, vielen Dank …«
    An ihrer Höflichkeit hatte ich nichts auszusetzen. Ob Zafer Bey wohl aufgrund seiner beruflichen Erfahrung die kleine versteckte Künstelei sehen konnte, ebenso wie ich sie sehr genau sah, weil ich sie sehr gut kannte? … Was hätte es aber für einen Unterschied gemacht, wenn er sie gesehen hätte? … In dem Augenblick brauchten die Anwesenden viel eher Entspannung als Aufrichtigkeit. Deswegen sorgte er nach Kräften für gute Stimmung.
    »Aber bitte schön … Dieser Erfolg ist der Erfolg von uns allen … Sowohl des Teams in unserem Krankenhaus als auch der von Isi … Und vor allem von Şebnem …«
    Das war kein schlechter Anfang. Alle taten ihr Bestes, die anderen zu entkrampfen. Bei diesen Worten fielen die Blicke auch auf Şebnem. Natürlich wieder lächelnd, besorgt … Eigentlich noch mehr, um die Besorgnis zu verdecken … Şebnem hob daraufhin beide Hände zum Gesicht und imitierte mit dieser sehr anmutigen und dermaßen natürlichen Bewegung ein verschämtes, scheues Mädchen. Auch dieses Mal wurde aus Lächeln Lachen. Şebnem begann ebenfalls zu lachen. Das Kapitel Beruhigung und Besänftigung ließ sich sehr gut an. Alle standen noch im Flur. Zweifellos war es die Pflicht der Hausherrin, sich dieser Situation anzunehmen, was sie auf die gewohnt geschickte Weise tat.
    »Nun, wir wollen wohl nicht den ganzen Tag hier stehenbleiben … Unsere Wohnung hat noch andere Räume … Zumindest könnten wir in den Salon hinübergehen …«
    Wieder wurde ein bißchen gelacht. Man ging in den Salon und nahm Platz, setzte sich, wie es für die Feier passend war. Tee und Kaffee wurden angeboten. Die altbewährte ›Helferin‹ erwies sich dabei als recht erfahren und tatkräftig. Hier konnte wirklich nichts schiefgehen. Plötzlich sagte Şebnem, daß ihr unsere Wohnung gut gefiele. Irgendwie berührten mich diese Worte sehr. Denn darin lagen eine gewisse Einfalt und Unschuld. Çela erwiderte, sie könne sie nachher durch die ganze Wohnung führen. Es hätte mich schon sehr gewundert, wenn sie das nicht gesagt hätte. Ich wußte, sie hatte keine böse Absicht. Doch ich konnte nicht umhin zu denken, daß hinter diesem Vorschlag der Wunsch steckte, ihre Herrschaft, Macht spüren zu lassen. Dann wurde ein wenig über dies und das geredet. Das Wetter gehörte bei derartigen Gesprächen zu einem der unvermeidlichen Themen. Danach fragte Çela, wie die ›Reise‹ verlaufen sei. Şebnem antwortete, indem sie die Rolle des kleinen Mädchens weiterspielte, in die sie unerwartet versetzt worden war und die sie ganz spontan übernahm.
    »Wir haben Steine ins Meer geworfen …«
    Zafer Bey und ich lachten, und Şebnem lachte ein wenig schalkhaft. Çela verstand natürlich nicht, warum, und schaute uns nur mit einem um Verstehen bemühten Lächeln an. Ich gab die nötige Erläuterung. Es war bewegend, daß Şebnem sich vor allem an unseren Spaziergang am Meer und dieses Detail erinnerte und zu erwähnen für wert befunden hatte, vor allem machte es große Hoffnung in bezug auf das Leben, das vergangene und zukünftige Erleben. Genau in dem Moment tat

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