Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
wurde entsprechend geplant. Ich würde den Raum in der Schule reservieren. Am folgenden Samstag würden wir zwei Proben abhalten, am Vormittag und am Abend. Bis dahin würden wohl auch unsere Kostüme soweit sein. Am Sonntag könnten wir aber nur den Vormittag für die Probe reservieren. Bei diesen meinen letzten Worten schauten mich die anderen ein wenig fragend an. Ich versuchte, für einen Moment auszukosten, daß alle Blicke auf mir ruhten. Dann nannte ich meine Begründung, wobei ich Niso und Necmi angrinste, die zufällig nebeneinandersaßen: »An jenem Abend gehe ich zusammen mit Necmi und Niso zum Fußballspiel von Fener! …«
Ich freute mich sehr und war sehr aufgeregt … Die Freude aber, die ich als Reaktion auf diese unerwartete Einladung zu dem Spiel auf den Gesichtern meiner Freunde sah, denen es vor lauter Überraschung fast die Sprache verschlug, verstärkte meine Freude und Begeisterung noch. Als brächen wir nun gemeinsam auf, um einen weiteren Teil von uns zu suchen, den wir irgendwo zurückgelassen hatten. Schon waren wir in die Stimmung des bevorstehenden Spiels eingetaucht. Niso sagte, er verfolge die Spiele stets aufmerksam, auch wenn er sich inzwischen als Anhänger vieler Seiten betrachte, und es war zu erkennen, daß er einen Teil von sich mit unausrottbarer Begeisterung hiergelassen hatte. Hätte er sich nicht geniert, dann hätte er die Mannschaftsaufstellung heruntergebetet. Er wußte zum Beispiel, daß unser Spiel gegen Bursaspor ging. Er wußte auch, daß wir nach unserem vorangegangenen Sieg über Galatasaray die Tabellenführung hatten.
Ich erinnere mich nicht, wie lange wir über Fenerbahçe sprachen. Doch es verging mindestens eine halbe Stunde. Plötzlich bemerkten wir, wie uns die anderen im Salon lächelnd beobachteten. Als sähen sie einem zwar komischen, aber zugleich auch bewegenden Schauspiel zu. Zuerst sahen wir einander an und dann sie, etwas verwirrt und beschämt. Auch wir versuchten zu lächeln. Yorgos winkte leicht mit der Hand, als wollte er sagen: Wir sind auch noch da. Şebnem meldete sich mit der Miene des netten Mädchens voller Begeisterung, was ihr eine reizende Weiblichkeit verlieh:
»Nehmt mich auch mit, bitte … Ich will mitkommen …«
Wir schauten einander wieder an. Da ich die Eintrittskarten besorgt hatte, fühlte ich mich zu einer Erklärung verpflichtet.
»Es gibt jetzt keine Karten mehr, Şebnem. Aber wir nehmen dich zu einem anderen Spiel mit, versprochen …«
Was ich sagte, genügte nicht. Vielmehr schien Şebnem entschlossen, dieses Gespräch in eine kleine Szene verwandeln zu wollen. Ihre Frage ließ ihre Absicht aufs allerschönste erkennen …
»Wann? … Wann ist das?«
Ich gab eine Antwort, die in solchen Situationen die banalste war, die man geben konnte.
»Sobald wie möglich …«
Ich gebe zu, meine Worte waren gewöhnlich, abgegriffen. Doch in dem Moment fand ich keine besseren. Ich schaute zu Necmi hin. In seinem Gesicht las ich, er werde Şebnem aufziehen. Er enttäuschte mich nicht.
»Was hast du denn? … Das ist Männersache, verstanden?«
Mir war nicht ganz klar, ob er sich amüsieren oder Şebnem ein bißchen auf die Probe stellen wollte, oder ob er sie neckend zu einem kleinen Spiel der Liebe einlud, doch das Ergebnis war wahrhaft fulminant. Das anvisierte Mädchen antwortete sofort mit wütenden Blicken und einer Stimme, die an die alten Tage erinnerte.
»Männersache, was? … Ihr primitiven Kerle! … Dabei denkt man, wenn man euch anschaut, ihr hättet Charakter!«
Natürlich lachten wir alle über diese Worte. Auch Şebnem fing an zu lachen, nachdem sie für eine kurze Weile Necmi angefunkelt hatte. Yorgos aber brachte uns durch sein kindliches Gelächter noch mehr zum Lachen. Woher hatte er dieses Lachen, wo er doch in seiner Jugend nie auch nur im entferntesten gelacht hatte, jedenfalls hatte es so ausgesehen. Wie hatte er das Lachen gelernt, das so gut zu ihm paßte? … Das würde ich wahrscheinlich niemals erfahren. Außerdem hatte es keinen Sinn, daß ich das herauszufinden versuchte. In diesem Gelächter konnte sowohl eine unzerstörbare Unschuld liegen als auch eine Reaktion auf das, was er erlebt hatte, die er nur auf diese Weise ausdrücken konnte, ebenso wie Zorn; sowohl das Bemühen, aus dieser Reaktion die Kraft zum Ertragen des Vergangenen zu gewinnen, als auch das Bedürfnis, sich ans Leben zu klammern … Es gab noch andere Möglichkeiten. Doch das eigentlich Wichtige war meiner Ansicht nach das
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