Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
Vom Netzwerk:
Ergebnis, der Punkt, den er erreicht hatte, das, was wir sahen und sehen konnten. Auch Şeli schaute ihn in jenen Augenblicken voller Liebe an.
    Mit diesen Gefühlen und diesem Tun verging auch jener Tag. Es wurde Abend. Plötzlich hatte ich eine Idee, wie der Tag und unsere Wiederbegegnung für uns noch bedeutungsvoller werden konnten. Ich schlug vor, wir alle sollten uns sofort aufmachen und in Nişantaşı ins Restaurant Yekta gehen. Dort war ich seit Jahren nicht mehr gewesen, hatte vielmehr aus nachvollziehbaren Gründen nicht hingehen können. Ein Essen dort wäre zugleich ein Geschenk für mich selbst. Alle mußten wohl dasselbe Gefühl gehabt haben, denn der Vorschlag wurde mit großer Freude aufgenommen. Wir folgten der Spur eines weiteren verlorenen Ortes, der mit unserer Vergangenheit zu tun hatte. Die Erinnerung machte uns natürlich etwas traurig, und eine wohlbekannte Melancholie entstand. Schließlich ging es um ein Gefühl des Verlustes. Was wir erlebten, erzählte uns aber auch von einer Freude, erinnerte uns daran, daß das Leben lebenswerte Momente, Zeiten hatte. Das Essen wurde verspeist, der Wein wurde getrunken, und alte Erinnerungen, die der Erinnerung noch wert waren, wurden ausgetauscht. Şebnem und Necmi saßen nebeneinander. Ich mochte dieses Bild sehr. Was ließen sie einander wie fühlen? Ließ die Zeit wirklich manche Verletzungen unwichtig erscheinen? … Ja, wir hatten nicht umsonst erlebt, was wir erlebt hatten. Und wer weiß, was wir noch alles erleben würden. Letztendlich wollte ich glauben, daß wir uns trotz aller unserer Fehler am richtigen Platz befanden. Dann trennten wir uns … Alle zogen sich wieder in ihr Privatleben zurück. Doch die Trennung war nicht allzu schmerzlich. Nach einer Woche würden alle erneut zusammenkommen. Beim Abschied sagte Şeli zu Çela, sie könne nach einigen Tagen wiederkommen, um ihr bei der Auswahl der Garderobe zu helfen. Mir gefiel die Herzlichkeit in diesem Angebot. In dieser Erzählung, deren Ausgang wir nicht kannten, waren wir inzwischen soweit, uns gegenseitig neue Eindrücke und Stimmen zu schenken …
    Irgendwo gab es noch unbeantwortete Fragen und Erwartungen. Natürlich reichte die Begeisterung für das ›Spiel‹ schon, um in mir ein neues Vibrieren zu erzeugen. Diese Begeisterung war sehr naiv. Ich war mir sicher, es war für alle aus der ›Truppe‹ das gleiche. Doch eigentlich regte ich mich aus einem ganz anderen Grund auf. Fragen und auch Ängste und Befürchtungen verfolgten mich. Wohin gingen wir mit Şebnem? Wohin ging Şebnem? … Ich fand es richtiger, nicht beim Krankenhaus vorbeizuschauen. Seit Necmi sie besuchte und sich bemühte, einen Weg für sie zu planen, zweifelte ich nicht, er kämpfte einen weiteren Kampf und hatte es lieber, wenn ich mich eine Zeitlang fernhielt. Ich folgte diesem wortlosen, unausgesprochenen Appell. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob diese Zurückhaltung richtig war, doch offen gestanden wollte ich auch warten … Warten in jeder Bedeutung … Sobald man mich erneut brauchte, war ich bereit, dort weiterzumachen, wo ich aufgehört hatte. Ich wartete auf ein Zeichen von Necmi. Ein Zeichen, das mir sagte, wie die Erzählung weitergehen konnte …
    Dieses Zeichen kam am Freitag. Als ich auf dem Display meines Handys Necmis Namen sah, verwandelte sich die Qual des Wartens in Aufregung. Ich nahm das Gespräch mit einer unüberhörbar aufgeregten Stimme an. Auch er war aufgeregt. Er sagte, er wolle kommen und reden. Ich war im Laden. Ich sagte, er könne sofort kommen. An jenem Tag war viel los. Zwei Stunden vorher waren auch Çela und Şeli dagewesen, um die eingekauften Kostüme zu zeigen … Die beiden verstanden sich offensichtlich gut. Sie hatten ordentliche Arbeit geleistet. So hatten wir auch die Probleme mit der Garderobe gelöst. Das war nicht weiter erstaunlich. Ebenso waren sie mit den Einladungen ziemlich weit vorangekommen. Auch das war nicht erstaunlich. Wir gingen zum Mittagessen ins Restaurant Borsa . Es gab eine Menge zu besprechen … Dann erzählte ich ihnen, was Necmi sich für Şebnem ausgedacht hatte, wobei mir unsere neu entstandene Nähe Kraft verlieh. Als sie erfahren hatten, was Necmi plante, waren sie sehr bewegt. Vielleicht waren sie etwas zu schwärmerisch, doch gleichzeitig waren sie aufrichtig … Was ich sah, gab mir nicht bloß Mut, sondern auch Hoffnung. Diese Hoffnung brauchte ich sehr, um meine inneren Befürchtungen zu bekämpfen … Unter anderem sagte Çela,

Weitere Kostenlose Bücher