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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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oder eines Romans sein … Ich hatte keine Ahnung, wie belangvoll das Ergebnis für andere sein würde, doch ich zumindest wäre beeindruckt. Zumal auch, als ich anfing mich zu erinnern, welche Assoziationen der Titel des ›Stücks‹ in mir auslöste … Ich konnte nicht anders, als weiterzumachen an der Stelle, wo ich war. Ich neigte mich wieder zu seinem Ohr und flüsterte, was ich empfand. Vielleicht konnte ich auf diese Weise besser verstehen, was er empfand.
    »Jetzt paßt der Titel des Stücks noch besser, nicht wahr? …«
    Wieder nickte er lächelnd. Doch dieses Mal neigte auch er sich zu meinem Ohr und flüsterte eine Frage, die zeigte, was er wie verstanden hatte.
    »Gilt das etwa nur für sie? …«
    Die Frage trug die Antwort schon in sich. Deswegen mußte ich nicht darauf antworten. Nun war ich an der Reihe, leicht zu lächeln. Wir brauchten nicht weiterzureden. Dieses kurze Gespräch würde ich nie vergessen … Es ging auf fünf Uhr zu. Yorgos sagte, wir könnten Schluß machen. Wir waren so erschöpft, daß wir nicht gegen diese Entscheidung protestierten. Am nächsten Tag sollte Kostümprobe sein. Auch dagegen hatte natürlich niemand einen Einwand. Im Gegenteil, eine kindliche Welle der Freude erfaßte alle. Wir würden noch mehr in die Atmosphäre des Stücks eintauchen. Das Vergnügen ging weiter …
    Wir verließen die Schule, zufrieden, eine weitere Leistung vollbracht zu haben. Ich versäumte nicht, dem Hausmeister zuzuraunen, ich würde ihm morgen ein kleines Geschenk mitbringen, weil ich sicherstellen wollte, daß er am nächsten Tag hochmotiviert zur Schule kam. Der Stadtteil Osmanbey mit seinen wechselnden Bildern lag unter uns. Şeli hatte die Idee, wir sollten irgendwo einen Kaffee trinken, dann könnten wir den Plan für den Abend machen. Alle zusammen gingen wir die steile Gasse hinunter, die sicherlich niemand vergessen hatte. Vergeblich suchten wir nach dem Café Bonjour , wo wir einst ›herumgehangen‹ hatten, wie man so schön sagt. Noch ein Platz aus unserem Leben war Geschichte geworden. Wir versuchten, das nicht schwerzunehmen. Auch das Site- Kino, das direkt gegenüber gewesen war, gab es nicht mehr. Das sahen wir ebenfalls und bemühten uns, nicht darüber zu sprechen. An jenem Abend wollten wir uns nicht mit Worten und Erinnerungen die Laune verderben. Wir gingen langsam in Richtung Şişli. Lieber wollten wir über das ›Stück‹ sprechen, und das taten wir dann auch. Ich schlug vor, wir sollten alle zusammen nach Tarabya fahren, weil ich dachte, dies würde unsere Erlebnisse vertiefen. Ich war gespannt auf die Wirkung meines Vorschlags und wurde nicht enttäuscht. Die Begeisterung in den Augen der Freunde sagte, wir näherten uns der richtigen Stelle … Wir kehrten zur Schule zurück, stiegen in unsere Autos und fuhren langsam auf den Ort zu, wo für mich die Erzählung begonnen, beziehungsweise geendet hatte. Die Restaurants am Ufer mit ihren Lichterketten glitzerten wie früher. Zudem besaßen wir nun nicht nur unsere Erinnerungen und unsere zukünftigen Erlebnisse, sondern auch Geld. Wir versuchten wieder hintereinander zu fahren. Mir fiel die Aufgabe des Vorausfahrens zu. Als wir zu einem mir passend erscheinenden Restaurant kamen, hielt ich an. Die Bediensteten kamen herbei und nahmen uns die Autos ab. Danach setzten wir uns an einen guten Tisch und gönnten uns ein Essen, dem angemessen, was wir erlebt hatten. Die anfängliche Spannung legte sich langsam. Wir erinnerten uns gegenseitig an das, was wir noch von jenem besonderen Abschlußessen wußten. Wir erinnerten uns, um zu lachen, vor allem, um lachen zu können. Und die Erinnerungen wurden dementsprechend ausgewählt und formuliert.
    Dann gingen wir ein wenig am Ufer spazieren. Yorgos und Şeli gingen nebeneinander her. Auch Çela und Zafer Bey begannen allein miteinander zu sprechen. Was sie redeten, hörte ich nicht. Doch ich konnte ahnen, daß meine Frau mit ihrem bekannten Unternehmungsgeist den Arzt zu einem Vortrag in den Verein einlud, dessen Vorstandsmitglied sie war, und ihm deshalb von diesem Verein erzählte. Şebnem hängte sich plötzlich bei mir ein, wobei sie sehr liebenswürdig zu Çela sagte, sie wolle mich für eine Weile ausleihen … Dann drehte sie sich zu Necmi um, der neben Niso ging, und pflaumte ihn ebenfalls ganz charmant an …
    »Wenn Sie erlauben, werter Herr …«
    Necmi machte ihr ein Zeichen, das meiner Ansicht nach besagte, sie solle tun, was sie wollte. Man mußte nicht sehr

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