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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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konnte ich nicht wissen. Doch auch sie sang das Lied weiter … » Keine Tränen aus dem Innersten sollen die Augen netzen … Selbst wenn wir uns eines Tages trennen, Freund …«
    An noch drei weiteren Tischen in der Kneipe wurde Alkohol getrunken. Die Anwesenheit der anderen kümmerte uns inzwischen überhaupt nicht mehr. Als wir das Lied zu Ende gesungen hatten, klatschte uns ein Paar Beifall, das an einem Tisch in der Nähe saß. Wir grüßten alle zusammen zu ihnen hinüber. Die Kellner betrachteten uns lächelnd. Niso, um die Stimmung ein wenig zu entspannen, beeilte sich, sie anzupflaumen.
    »Nun treibt aber mal nicht die Rechnung hoch, weil wir uns hier so amüsiert haben!«
    Sie lächelten wieder. Ich machte ihnen ein Handzeichen, die Rechnung mir zu bringen. Das war mein letztes Spiel für die ›Schauspieltruppe‹. Sie beteiligten sich an dem Spiel, indem sie sich entweder bedankten oder sagten, ich beschämte sie. Schließlich aber schien niemand Einspruch erheben zu wollen. Necmi versuchte auf seine Weise sogar, ihre Verhaltensweise als berechtigt hinzustellen.
    »Soll er doch bezahlen, der niederträchtige Kapitalist. Der Kuppler hat Geld wie Heu!«
    Wir folgten dem von Niso eingeschlagenen Weg. Schließlich paßte es nicht zu der ›Schauspieltruppe‹, dermaßen traurig auseinanderzugehen. Ich zögerte nicht, die erforderliche Antwort zu geben.
    »Verpiß dich, du dreckiger Schlepper! … Ich soll doch wohl hier nicht deine schmutzige Wäsche ausbreiten!«
    Yorgos begann wieder mit jenen kindischen Lachern, die uns alle ebenfalls zum Lachen brachten. Niso stand auf und machte Bewegungen, um unseren Wettstreit zu dämpfen. Doch wir machten sowieso nicht weiter. Die Zeit war um. Wir blieben noch eine Weile schweigend sitzen. Wir waren an einen Punkt gekommen, wo auch unsere Worte zu Ende waren. Dann erhob ich mich. Nun kamen unsere letzten Repliken.
    »Auf Freunde, Zeit zum Abmarsch …«
    Als wäre dies das Stichwort gewesen, standen alle gleichermaßen schnell auf. Wir gingen nach draußen. Vor der Tür der Kneipe schaute Niso uns alle an und machte in seiner begeisterten Art einen Vorschlag, der unserer Nacht und allem unserem Tun eine noch größere Bedeutung verleihen sollte.
    »Freunde, ich möchte jetzt von euch allen ein Versprechen … Schreibt euch das heutige Datum in euer Gedächtnis ein … Wann sind wir zum Essen gekommen? … Um elf … Schreibt euch auch diese Stunde ins Gedächtnis. Seid ihr einverstanden, daß wir uns in zwei Jahren, in genau zwei Jahren, am gleichen Tag zur gleichen Zeit an dieser Stelle hier wieder treffen? … Hier, an diesem Punkt, klar? … Es kommt nicht darauf an, ob wir uns zwischendurch schreiben oder sehen. Heute geben wir uns dieses Versprechen, was sagt ihr dazu? …«
    Er machte mit dem Fuß ein Zeichen auf der Stelle, wo er stand. Alle sagten wie aus einem Mund: »Einverstanden!« Das war eine Abmachung. Ich konnte nicht wissen, was die Freunde in dem Moment fühlten, doch mich durchfuhr ein tiefer Schmerz, der mir das Schlucken erschwerte. Durch meine Erlebnisse und Auseinandersetzungen war ich an einen gewissen Punkt gelangt. Zwei Jahre später kam mir weit entfernt vor … Zwei Jahre später lag für mich im Finstern … Dennoch schwieg ich und vergrub meine Gefühle wieder einmal in mir. Inzwischen fuhr Niso fort zu drängen. Die Reaktion hatte ihn wohl ziemlich begeistert.
    »Also kein Rückzieher, ja?«
    Necmi spielte sich sofort auf. Die Stimmung war genau richtig für ihn.
    »Kein Rückzieher, verdammt noch mal!«
    Dieses Mal mischte sich Şeli ein.
    »Nun fangen die schon wieder an! … Mit diesen Pennern kann ich es wirklich nicht länger aushalten! … Am besten, wir gehen …«
    Sie hakte sich bei Yorgos ein. An ihn hatte sich ihre Aufforderung zum Gehen gerichtet. Necmi und Niso stellten sich dem Paar gegenüber auf, verbeugten sich vor ihnen, so als akzeptierten sie gerne die Bezeichnung als Penner, und machten mit den Händen Zeichen, daß sie losgehen sollten … Die beiden gingen auf das Spiel ein und schritten Arm in Arm voran wie bei einer Zeremonie. Sie lächelten … Waren sie nur Freunde? … War es ihnen endlich gelungen, beziehungsweise hatten sie es gewagt, richtige Geliebte zu werden? … Ich konnte mir immer noch nicht sicher sein. Dennoch sah ich das Glück in ihren Gesichtern. Was ich sah, war im Augenblick für mich genug. Auch Şebnem hakte sich bei Necmi unter. Ich konnte den Kummer in ihrem Lächeln unmöglich

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