Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
Vom Netzwerk:
Necmi aus gewesen.
    Als wir abends nach Hause zurückkehrten und hörten, daß das Spiel null zu null unentschieden ausgegangen war, waren wir getröstet.
    So ein Ort war das also, an dem ich mich mit Necmi treffen wollte … Da war es nur natürlich, daß ich in dem Moment eine Sehnsucht fühlte und eine bittere Freude … Auch daß ich mich sehr weit entfernt fühlte von dem, was ich hier sah … Wahrscheinlich fühlte ich aber auch eine Enttäuschung … Ich schaute auf die Uhr. Es war fast halb acht. Er war schon eine halbe Stunde zu spät dran. Ich entschloß mich zu warten. Ich überlegte auch, ob ich ihn anrufen sollte, ob er sich verlaufen hatte, doch ich verzichtete darauf. Es gefiel mir, mich von meinem Platz aus in die neuen Ausblicke zu vertiefen. Außerdem gehe ich mit solchen Verspätungen inzwischen sehr gelassen um. Zumal in dem Augenblick jemand eintrat, der genau wie ich das Durchschnittsalter in dem Salon erhöhte. Ich schaute aufmerksam hin. Er war es.
    Er trug eine schwarze Lederjacke, ein rotkariertes Hemd und Jeans. Er hatte ziemlich zugenommen. Seine Haare waren gelichtet wie meine. Er trug eine schicke Sonnenbrille. Damit wirkte er ziemlich ›interessant‹. Ich betrachtete ihn von meinem Sitz aus. Er schaute sich um. Ich wartete, daß er mich sah. Nach kurzer Zeit begegneten sich unsere Blicke. Er lachte, kam näher. Ich erhob mich und ging ebenfalls auf ihn zu. Wir umarmten uns fest. Ohne ein Wort zu sagen … Um den Zauber der Umarmung nicht zu zerstören oder um den Augenblick des so lange hinausgezögerten Wiedersehens auszukosten … Dann schauten wir einander an. Wir lächelten uns zu. Wir konnten nichts anderes tun als lächeln … Mit unserem Lächeln begegneten wir dieser langen Trennung … Mit so vielen Menschen, so großer Sehnsucht und so vielen Erinnerungen … Konnte man da nicht gerührt sein? … Die ersten Worte kamen von ihm.
    »Nun gut … Die Jahre haben uns ganz schön zugesetzt …«
    Was sollte ich sagen? … Auch ich sah die Tatsachen. Dennoch fühlte ich das Bedürfnis, zur Verteidigung überzugehen.
    »Ich kann mich nicht beklagen …«
    Wirklich nicht? … Diese Frage zu beantworten gab es in dem Moment keine Zeit und keine Notwendigkeit. Er schlug mir auf den Rücken. Er wirkte etwas frustriert und auch ein wenig, als sei ihm das Leben gleichgültig. Ich sah in dieser Gleichgültigkeit die schwere Last der Jahre. Seine Antwort machte sowohl diese Last deutlich als auch die daraus folgende Kampfansage und seinen Humor.
    »Tu nicht so, Mensch! … Wir sind hier unter uns! …«
    Waren wir wirklich unter uns? … Auch diese Frage wollte ich nicht beantworten. Ich grinste deshalb bloß. Außerdem hatte es keinen Sinn, groß zu widersprechen. Ich versuchte, das Thema zu wechseln, das Gefühl der alten, fernen Tage zu finden.
    »Was machen wir nun? …«
    Diese Worte konnte man in vielfacher Hinsicht deuten. Doch unter dem Einfluß des neuen Gefühls, genauer der Beklommenheit, die wir erlebten, wählte er die einfachste Antwort.
    »Ich weiß nicht … Ich habe viel Zeit … Komm, laß uns irgendwo ein bißchen rumsitzen …«
    Er schaute sich um. Auch er hatte zweifellos das Bedürfnis, den Billardsalon mit neuen Augen zu sehen. Zusammen mit ihm schaute ich mich noch einmal um. Ich war sehr gespannt, was er sah, fühlte, woran er sich erinnerte … Dann, als wollte er jene Gleichgültigkeit noch stärker demonstrieren, ging er einen Schritt weiter, was zum Sinn dieser Begegnung sehr gut paßte.
    »Zu Hause wartet niemand auf mich. Morgens hier, abends dort … Unsereins lebt halt so dahin …«
    Das war der erste Anhaltspunkt, den er in Hinblick auf sein Leben gab, vielleicht absichtlich zu geben versuchte. In dem Moment fiel mir ein, was Fatoş Abla gesagt hatte. Daß er viel ausging, viel trank … So als ob diese Tatsache in unterschiedlicher Weise in ihrer beider Leben einen großen Stellenwert hätte. Noch ein Detail fiel mir auf. Es schien, als sei der gegenwärtige Necmi weit entfernt von jenem zornigen Necmi von einst. Ich versuchte dieses Gefühl abzuschütteln. Wir hatten uns wiedergefunden. Zuerst einmal wollten wir diese Begegnung genießen, wo wir keine einleitenden Sätze brauchten oder alle einleitenden Sätze sinnlos wurden. Deshalb versuchte ich, durch seine Worte ermutigt, mich stärker dem Abend zuzuwenden, von dem ich nicht wußte, wie er verlaufen würde.
    »Ich habe meinen Wagen gleich hier in der Nähe. Sollen wir nach Ortaköy fahren?«
    Er

Weitere Kostenlose Bücher