Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
und ihre Fertigkeiten ausgebildet. Ihre Mühe wurde durch einen kleinen Laden belohnt, den sie in Nişantaşı eröffnete. Sie verdiente einiges Geld, doch eines Tages erlosch ihre Begeisterung, und sie gab das Geschäftsleben auf. Schließlich mußte sie weder arbeiten noch Geld verdienen. Sie hatte getan, was sie wollte, und es dann aufgegeben. Dann hatte sie sich in die Vereinsarbeit gestürzt und wichtige Ämter übernommen. Kurz gesagt, sie wußte ihr Leben auszufüllen. Sie hatte immer großes Selbstvertrauen besessen. Dieses Selbstvertrauen zog mich manchmal sehr an, beeindruckte mich, manchmal fiel es mir auf die Nerven. Doch ich konnte die Tatsache nicht übersehen, daß sie Lebensart hatte. Sie verstand sich gut darauf, Essen zu machen und auszuwählen. In diesem Punkt hatten wir viele gemeinsame Vorlieben. Sie zog sich geschmackvoll an. Sogar mich, was soll ich es verschweigen, zog sie gut an … Meine Hemden, meine Hosen, meine Jacketts suchte für gewöhnlich sie aus. Ich überließ ihr gerne die Kontrolle. Die Reaktionen aus meiner Umwelt hatten mir viele Male die Richtigkeit meiner Entscheidung gezeigt. Kurz gesagt, unsere Ehe war eine von den Millionen normaler Ehen, die man in vielen Ländern antreffen kann. Eingeschlossen sogar manch kleine Ausreißer meinerseits, oder ehrlicher gesagt Seitensprünge, die sie wohl manchmal ahnte, wie ich glaubte, aber nicht zur Sprache brachte, vor denen sie lieber die Augen verschloß. Während unserer Ehe gab es, abgesehen von dem, was ich auf manchen Reisen erlebte, kaum, wenn man so sagen kann, Zwischenfälle, die unser Zusammensein belasteten. Ich glaubte immer, es reichte mir, was ich erlebte, vielmehr wollte ich mich das glauben machen. Manches Begeisternde begrub ich vielleicht für immer in mir, weil ich nicht wagte, mein Leben unnötig zu erschüttern.
Woher hätte ich wissen sollen, daß diese Entscheidung ganz langsam und heimtückisch den Boden für die Erschütterung bereitete, die Nedi mich erfahren ließ? … Wie sehr war ich anfangs, als er geboren wurde, und später in seiner Kindheit überzeugt gewesen, ein guter Vater zu sein. Ich würde ihn nicht erleben lassen, was mein Vater mich hatte erleben lassen. Letztlich war es auch so. Doch das, was ich tat oder zu tun meinte, verhinderte nicht das Zutagetreten des Bruchs, als es soweit war. War das ein Fluch, den wir verletzten Kinder für immer tragen mußten? … Wer weiß. Es gab viele Gründe, weshalb ich mir diese Frage an jenem Abend erneut stellte. Die Frage würde neue Fragen aufwerfen und die Fragen eine andere Art von Einsamkeit. Der Kampf verlangte aber nach dieser Einsamkeit. Das Spiel verlangte nach den Stimmen und Bildern dieser Einsamkeit.
Mit Neli hingegen, meiner kleinen süßen Tochter, hatte ich keine Probleme. Das war ausgeschlossen, denn ich konnte nie vergessen, wie ich sie vor Jahren, als wir sie fast schon verloren zu haben glaubten, wiedergewonnen hatte. Nach jenen Tagen, die uns alle zutiefst erschüttert hatten, begriff ich ihren Wert noch stärker und trug sie an meiner zartesten Stelle. Sie war mein anderer Kampf, mein Gewissen, meine Hoffnungsträgerin …
Sie bereitete sich auf die Universitätszugangsprüfungen vor und sagte, sie wolle nun Medizin studieren. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, daß sie eines Tages Ärztin sein sollte. Ihr konnte ich nicht erzählen, was ich erlebt hatte, was mich diese unerwartete Finsternis, in die ich geraten war, fühlen ließ. Hingegen würde ich ihren Traum so lange wie möglich teilen und alles dafür tun, sie zu unterstützen. Als ich nach Hause kam, hatte sie sich mit ihrer Mutter gestritten, wie diese berichtete, und sich von auswärts einen Hamburger kommen lassen, weil sie wieder mal das Essen nicht mochte. Nun war sie in ihrem Zimmer, angeblich, um für die Prüfung zu lernen. Aus dem Gesagten konnte ich zwei Schlüsse ziehen. Zum einen gab es ein traditionelles Essen, zum zweiten hatte sie sich wieder einmal mit ihrer Mutter angelegt. Letzteres war ein ausreichender Grund, mich sofort in ihr Zimmer zu begeben. Selbstverständlich versäumte ich nie anzuklopfen, ehe ich ihre kleine Welt betrat … Das tat nur ich. Es gefiel ihr sehr, daß ich das machte. Und mir gefiel es, ehrlich gesagt, daß es ihr gefiel. Sobald ich ihren spöttischen und gleichzeitig so liebenswerten Befehl ›Herein‹ hörte, öffnete ich langsam die Tür und trat ein, wobei ich mich um ein Lächeln bemühte. Ich wollte mich ein Weilchen von
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