Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
Şebnem, was eine CD war? Ich wollte nicht einmal fragen, an welcher Stelle ihre Geschichte den Einschnitt erfahren hatte. Es schmerzte, an einen möglichen Bruch auch nur zu denken. Sie, die Musik sehr geliebt hatte, wußte vielleicht nicht, wie diese sich verändert hatte … Plötzlich dachte ich, beim nächsten Besuch würde ich ihr einen tragbaren CD -Player mitbringen und ihr die Lieder aus unserem alten Leben vorspielen. Ich wußte sehr wohl, daß Musik alte, irgendwo verborgene Gefühle in unerwarteter Weise wiedererweckte. Das konnte ein Ausgangspunkt für Weiteres sein. Natürlich hatte ich den Ohrring nicht vergessen. Ich mußte den Ohrring finden, ja unbedingt. Ich wußte nicht, ob ich ihn ihr gleich zeigen würde, wenn ich ihn fand und mitnahm, doch ich mußte ihn unbedingt finden. In dem Moment hatte ich das Gefühl, etwas Neues erwarte mich. Ich brauchte unbedingt eine solche Begeisterung. Dieses Bedürfnis war immer mehr gewachsen durch die Wege und Ereignisse der Vergangenheit. Konnte ich mein Leben auf diese Weise retten? … Wer weiß. Doch es war den Versuch wert. Es würde den Versuch wert sein. Daran mußte ich glauben.
Ich schaute auf die Uhr. Nahezu drei Stunden lang hatte meine Reise in die Vergangenheit gedauert, und dabei hatte ich zwei Gläser Kognak getrunken. Obwohl ich müde war, fühlte ich mich nicht schläfrig. Doch auf mich wartete schließlich der nächste Tag. Ich mußte ein wenig ruhen. Ich stand auf und ging ins Schlafzimmer. Çela war längst zu Bett gegangen und schien eingeschlafen zu sein. Ich zog mich leise aus, zog meinen Pyjama an und legte mich hin. Im Bett bemerkte ich, daß sie nicht schlief, sondern auf mich wartete. Sie umarmte mich. Dann umarmte sie mich auf eine weiblichere Weise. Sie begann meinen Penis zu streicheln. Ich war leicht erstaunt. Nur in seltenen Fällen ergriff sie die Initiative. Allzuoft liebten wir uns sowieso nicht. Wie in jeder langjährigen Beziehung war die Begeisterung der ersten Tage längst verflogen. Auch wäre mir nicht im Traum eingefallen, in einer solchen Nacht mit ihr zu schlafen. Doch es war nicht schwer, mich zu erwecken. Ich überließ mich dem Strom dieses Anreizes. Sie zog mir langsam die Pyjamahose herunter. Ich legte meine Hand zwischen ihre Schenkel. Sie hatte unter dem Nachthemd keine Unterhose an. Das hieß, sie hatte sich schon vor dem Zubettgehen vorbereitet. Das lange gegenseitige Streicheln erinnerte uns an unsere nie verlorene Bindung, an eine Liebe. Wir waren in vertrauten Gewässern. Das waren unsere eigenen Gewässer. Wir konnten einander dennoch aufreizen. Daß wir den Körper des anderen nahezu auswendig kannten, machte uns beide zudem gelöst. Wir umarmten einander fester. Ich war bereit, ich drang in sie ein. Sie umklammerte mich enger. Es war sehr erregend, ihren schneller werdenden Atem an meinem Ohr zu spüren. Ich setzte meine Bewegungen fort. Als ich spürte, daß ihr Höhepunkt nahte, ließ auch ich mich gehen und dehnte diese Gipfelmomente so lange wie möglich aus. Wir erlebten gemeinsam den Orgasmus. Solch eine Vereinigung und Gemeinsamkeit hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Ich blieb noch ein wenig auf ihr liegen. Der Geruch der Liebe mischte sich mit dem vertrauten Duft ihres Parfüms, das ich sehr mochte. Ich küsste ihren Hals und ihre Brüste, ließ meine Hände über ihre Haare, ihre Taille und ihre Hüften gleiten. Dann zog ich mich langsam aus ihr zurück. Ich legte mich neben sie. Ich schaute. Der Mond schien ihr ins Gesicht. Ich sah sie lächeln. Dies war ein für meine Begriffe selbstzufriedenes Lächeln, doch das störte mich ehrlich gesagt nicht. Denn unverkennbar lag in ihren Blicken auch Liebe. Dann kamen die Nebensächlichkeiten, wie stets nach dem Liebemachen … Als ich zwischendurch allein im Bett war, fragte ich mich, warum sie bei dem Gespräch während des Essens so mißtrauisch gewesen war. Ich konnte nicht anders, als mir diese Frage zu stellen. Hatte ihr weibliches Gefühl sie auch diesen Schritt tun lassen? … Wer weiß … Vielleicht übertrieb ich. Vielleicht steigerte ich mich unnötig in ein Schuldgefühl hinein. Mit der gleichen Selbstsicherheit kehrte sie aus dem Bad zurück und legte sich wortlos neben mich. Sie legte ihren Kopf auf meine Brust. Ihre gepflegten Haare dufteten gut. Es war, als klängen in uns beiden unterschiedliche Stimmen nach, die wir in der Stille einander hören ließen … Stille, die noch mehr Sicherheit geben wollte … Doch das Schweigen
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