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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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diente. Wir saßen an dem großen, groben Holztisch, auch die Stühle waren knorrig und aus festem Holz. Es gab durchsichtige Glasteller, ohne Farbe und ohne Verzierung, und Schwarzbrot mit Körnern und Kleie. Der Salat war frisch und mit Kräutern und Olivenöl angemacht. Wir sprachen nicht viel, wir waren wie die Kartoffelesser auf dem Bild von van Gogh. Der Junge schielte von seinem Teller zu Herrn Levis Sohn und reckte den Kopf, um die Pistole zu sehen, die er am Gürtel trug. Die Katze betrachtete uns aus ihrem Käfig, ergeben, die Lektion war noch frischund brennend. Das Geschirr, die vorhanglosen Fenster, der nackte Fußboden, auf dem kein Teppich lag, alles führte zu dem Schluss, dass Herr Levis Sohn ein Mann war, der jedes Interesse an den Spielereien des Lebens verloren hatte. Er saß am Kopfende des großen Tisches, dem Jungen auf dem Foto direkt gegenüber. Nadav und ich hatten auf der rechten Seite Platz genommen, und an den beiden übrigen Seiten des Tischs saß niemand. Hätte das Glas den Jungen nicht gefangen gehalten, wäre er herausgekommen und hätte sich links neben seinen Vater oder ans Fußende des Tischs gesetzt, ihm gegenüber. Die Augen des Jungen auf dem Bild waren auf mich gerichtet, immer nur auf mich, wohin ich mich auch bewegte, sie folgten mir. Falls ich einen Moment mit ihm allein bin, werde ich ihm versprechen, sein Grab im Dorf zu besuchen, sobald wir wieder zu Hause sind. Als Nachtisch servierte uns sein Vater selbst gemachten Obstsalat und bot an, nach dem Essen das Anwesen zu besichtigen. Nadav fischte sich nur die Rosinen aus dem Tellerchen mit dem Obstsalat, und er fragte, ob die Hunde während der Besichtigung angebunden blieben, und als die Katze sich sichtlich erholte, sagte er: »Mama, schau mal, Emotion.«
    Sie machte akrobatische Kunststücke im Käfig, drückte sich gegen die Tür und schnurrte, riss das Maul auf, als wolle sie ein Jaulen ausstoßen, überlegte es sich aber anders.
    Auch die Toilette war sauber, einfach, ohne Raumspray, ohne Dekor. Ein einfaches, weißes Klo aus Porzellan, billiges Papier, grobe Seife, billige Zahnpasta, ein quadratischer Spiegel, ein Plastikkamm, der in einer Haarbürste steckte, ein abgegriffenes Handtuch. Keine Keramik, keine Badematte, keine Creme, kein Aftershave, kein Duftbehälter.So lebte jemand, der vorhatte, immer er selbst zu bleiben, der das, was hässlich an ihm war, nicht versteckte und das Schöne nicht betonte.
    Wir gingen mit ihm hinaus, und er zeigte uns sein Anwesen, drei schwarze Pferde, ein Versuchsgewächshaus, in dem er Biogemüse zog, einen großen Olivenhain und einen Obstgarten mit Apfelbäumen, einen Schuppen mit einem Traktor und einem Gabelstapler, und einen Geländewagen mit verdreckten Reifen. Der Junge lief herum wie Alice im Wunderland, immer wieder zog er mich am Ärmel zu sich herunter, um mir sein Erstaunen ins Ohr zu flüstern.
    »Mama, das alles hier gehört dem Sohn von Herrn Levi?«
    »Glaubst du, dass er wirklich auf diesen Pferden reitet?«
    »Mama, er ist reich wie ein König.«
    »Mama, schlafen wir heute Nacht hier?«
    Amos hatte einen Hirtenstab in der Hand und ging vor uns her, er zeigte uns, was auf seinem Hof wuchs, erklärte uns die topografischen Details dieses Ortes, sprach über Windrichtungen und Regen, streckte die Hand mit dem Stab aus und deutete auf die Wasserquellen der Umgebung und die Orte, die Unheil verkündeten. Von Norden her wird das Unglück losbrechen. Und ich, statt der Linie zu folgen, die uns der Stab zeigte, wandte den Blick von dem Stab zurück zu der Hand, die ihn hielt, und zu dem Mann, dem die Hand gehörte. Wie sein Esstisch, wie seine Toilette und wie sein Badezimmer war an diesem Mann nichts Überflüssiges, kein Lächeln, keine Feinheit, keine Höflichkeit, auch keine Bitterkeit und keine Grobheit, nur Klarheit, Geradlinigkeit und keine überflüssigen Manieren. Ich fürchtete, er sei von dem Virus angesteckt worden, der Gideon das Gefühl zerstört hatte, doch als er eine Hand auf die Schulter des Jungen legte und ihm zeigte, wie kräftig dieBeine einer Heuschrecke waren und welche Sprungkraft sie hatten, war nicht zu übersehen, welche Achtung er der mageren Schulter entgegenbrachte und mit wie viel Vorsicht und Respekt er sie berührte. Ich gebe zu, auch die cowboyhafte Erscheinung beeindruckte mich, der Hut, die Stiefel, der braun gebrannte, gegerbte Nacken, eine Männlichkeit, die man durch Zubehör aus Leder und Metall bekommt. So dumm sich das

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