Wodka und Brot (German Edition)
einige Untersuchungen machen.« Wenn er sich weiterhin erbrechen müsse, sagte er, oder wenn er Sehstörungen oder Gleichgewichtsstörungen feststelle, solle er sofort kommen. Er wandte sich zum Gehen, hielt aber noch einen Moment inne und sagte, Kopfschmerzen seien zuweilen auch auf seelischen Druck und Anspannung zurückzuführen. Die Leere erwähnte er nicht mehr.
Eine Schwester mit einer Spritze in der Hand kam auf uns zu. Dabei rief sie einer anderen Schwester zu: »Das war peinlich, sage ich dir, superpeinlich.« Dann trat sie in unsere kleine Kabine. »Sind Sie das mit den Kopfschmerzen? Gideon?« Sie verglich den Namen auf dem Anmeldebogen mit dem auf dem Etikett, zog am Paravent und schloss ihn schwungvoll.
»Drehen Sie sich zur Seite, nicht so … ja, so, ich brauch ein Stück Po … Sie werden einen kleinen Einstich spüren …«Sie zog Gideons Bermudas herunter und entblößte ein Stück Gesäß, weiße, verletzliche Haut unterhalb der Bräunungslinie. Gideon bedeckte sein Gesicht und versuchte, sich von dem grausamen Geschehen zu distanzieren. Die Schwester desinfizierte die Haut. »Locker lassen, ja, schön …« Die Nadel stieß zu, die Haut zuckte und gab nach. Die Finger einer fremden Frau auf dem Po meines Mannes, zwei Goldringe mit einem Rubin drückten den Spritzeninhalt in seinen Hintern, und ein kleiner Blutstropfen folgte der Spritze und sah aus wie der Punkt unter einem Ausrufezeichen. Sie drückte einen Tupfer auf das Blut, mit einem kräftigen Druck, der in Gideons Fleisch eine Grube entstehen ließ, als wollte sie den Blutstropfen in ihn zurückdrücken, und der besiegte Hintern meines Mannes wehrte sich nicht und zog seine Muskeln nicht zusammen. Sie entfernte den Tupfer, ein neuer Blutstropfen erschien, sie drückte wieder, hob das Gesicht und schaute uns zum ersten Mal an.
»Ist ihm das zum ersten Mal passiert?«, fragte sie mich.
»Ja«, antwortete ich, als koalierte ich mit der Drückerin gegen den Gedrückten, dann strich ich ihm sofort über die Wange, um klarzustellen, auf wessen Seite ich stand, und meine Hand wurde feucht von Schweiß oder von Tränen.
»Also wirklich, das war nur eine Spritze.« Die Schwester nahm den Tupfer weg. »Das war’s.« Sie griff nach dem Gummiband der Bermudas und zog sie hoch, die Unterhose blieb, wo sie war. Gideon schob eine Hand unter den Rand und zog die Unterhose hoch und legte sich auf den Rücken. Er schwitzte, seine Augen glänzten, er legte die Hände unter den Nacken und sagte: »Schauen Sie, Blut, Tränen und Schweiß.«
»So groß sind Ihre Schmerzen?«, sagte die Schwester. »Männer halten nichts aus. Wenn sie Kinder gebären müssten, wäre das das Ende der Welt, es würde keine Kinder mehr geben. Hören Sie, Sie bleiben noch ein paar Minuten hier liegen, dann können Sie nach Hause gehen.« Sie schob den Paravent zur Seite und entblößte uns vor aller Augen, ich fragte, was die Spritze bewirke, aber sie ging schon ihrer Wege.
Bis sich das Mittel im Körper verteilte und den Schmerz betäubte, hielten wir uns an den Händen wie unsere betagten Nachbarn, Gideon umklammerte meine Hand, als wäre sie ein Geländer, und ich stand ihm mit jeder Faser meines Körpers zur Verfügung und fühlte mich schuldig. Mein Mann litt, Gott weiß, woran, vielleicht litt er schon seit Monaten, und ich? Ich lebte, ich führte einfach das normalste Leben, das man sich vorstellen kann, ganz so wie ein Wachmann, der eine Tasche nach der anderen kontrolliert, und das Leben geht an ihm vorbei, die Leute gehen ein und aus, und nichts passiert, alles ist ruhige Routine, bis eines Tages ein giftiger Skorpion aus einer der Taschen springt und in seine Hand sticht. Ich hatte gut daran getan, die Bank zu verlassen, wenn ich jetzt noch dort wäre, hätte ich den Stich nicht gespürt, ich wäre höher und höher gestiegen und dabei wäre unter mir alles zerbröckelt. Während mein Gewissen rückwirkend überlegte, wo ich mich geirrt und was ich nicht gesehen hatte, glätteten sich die Falten des Schmerzes in Gideons Gesicht und die Vertiefung zwischen seinen Augenbrauen wurde flach. Er ließ meine Hand los, richtete sich auf und stützte sich auf die Ellenbogen. »Gehen wir?«
Ich musste ihm nicht mehr helfen, im Gegenteil, er hielt meinen Arm und führte mich, als sei ich diejenige, die sich erholen müsse.
»Einen Moment«, sagte ich, ging zu den grünen Paravents zurück und wünschte den beiden Alten gute Genesung. Die Frau sagte: »Auch euch,
Weitere Kostenlose Bücher