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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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Er sprang vom Tor auf den Zaun und kratzte weiter an dem Schild und schälte die Erinnerung an die Sünde fort, die sein Artgenosse hinterlassen hatte.

5
    Vier Tage vergingen, und meine Männer kamen wieder in ihre Grenzen.
    Nadav sagte: »Wow, Mama, du siehst aus wie ein Mann.
    Und sein Vater sagte: »Wie ein Marinesoldat. Sag, hast du eine Kopfwehtablette da?« Er drückte den Daumen gegen eine Schläfe und einen Finger gegen die andere. »Ich habe eine schreckliche Migräne.« Er schloss die Augen.
    Wodka schob seine Zunge aus dem Maul und leckte meine Beine, vergeblich suchte er in mir seine ehemalige Besitzerin.
    Schon bald stellte sich heraus, dass seine schreckliche Migräne eine Horrormigräne war. Er erbrach sich, legte sich hin, setzte sich gleich wieder auf und bekam Schüttelfrost. Ich stopfte ihm Kissen unter den Rücken, sodass er halb saß, halb lag, brachte ihm Wasser, machte ihm Kompressen, maß ihm Fieber und stützte ihn, wenn er zur Toilette musste, ich hielt seinen Arm und packte seine Hüften, und jede Stelle, die ich berührte, kam mir knochig vor.
    »Papa, vielleicht stirbst du bald«, sagte Nadav, und ich warf einen Blick aus dem Fenster, um mich zu versichern,dass kein Rabe auf dem Haus saß und eine schlimme Nachricht in den Hof schrie.
    Nachdem nichts, was wir taten, zu einer Besserung führte, ließen wir den Jungen und Wodka bei Schoschana, der Tochter des Alten, und fuhren zu einer Krankenambulanz.
    »Vielleicht bist du dehydriert, du wirst eine Infusion bekommen und wieder zu dir kommen.«
    »Vielleicht.« Auf dem Weg vom Parkplatz zur Aufnahmetheke stützte er sich erst auf mich, danach stützte er sich auf die Theke. Die Schwester fragte wenig und tippte viel, und bis der Drucker Papiere und Aufkleber ausspuckte, machte sie Witze mit dem Sanitäter, streckte die Arme aus, klopfte mit ihren Fingernägeln auf die Computertastatur. Gideons Kopf sank nach vorn, als würde er gleich von der Theke auf ihren Tisch fallen, über ihre Beine rollen und auf den Boden knallen.
    »Los, lassen Sie ihn schon gehen, der Mann ist fertig«, flüsterte ihr der Sanitäter zu, er hatte einen Blick für Menschen, die am Ende waren, sein Alter bewies, dass er schon seit vielen Jahren Kranke vom Röntgensaal in Behandlungsräume schob, sie mit dem Aufzug hinunterbrachte und wieder hinauf zu ihren Stationen und dabei aufpasste, dass sie die Hände nicht aus den Gittern schoben oder nicht an die Wände stießen, und dass er ihre aus dem Bett gerutschten Glieder wieder zurücklegte.
    »Gleich kommt ein Arzt«, sagte man zu uns und wies uns ein Bett mit einem grünen Paravent zu. Zwischen all den Geräuschen der anderen Kranken waren wir so eng zusammen, wie schon lange nicht mehr. Ich massierte seinen Nacken, und er schloss die Augen, abwechselnd genoss er den Kontakt und quälte sich, genau wie ich. Ich strich ihm mit meiner Verkäuferinnenhand über die Haare undstreichelte seinen schmerzenden Schädel und biss mir auf die Lippe. Dieser Mann war meiner, falls es überhaupt so etwas gab, dass einer im Besitz des anderen war. Ich drückte meinen Mund auf seine Stirn und spürte salzige, klopfende Hitze. Ich betete zu Gott, er möge ihm nichts Böses antun, schließlich war jetzt Elul, der Monat der Buße und der Gnade und was alles dazugehörte. Ich schloss die Augen und unterdrückte meine Tränen. Gideon klammerte sich an meinen Arm, richtete sich auf, wollte sich übergeben, dann legte sich die Welle der Übelkeit, er ließ sich wieder zurücksinken und sagte: »Amiki.« Wegen dieses Amiki zerdrückte ich eine weitere Träne, die größer war als die zuvor. Lieber Gott, hoffentlich ist in seinem Kopf nichts Schlimmes gewachsen, das mit seinen wild gewordenen Zellen unsere Zukunft in Geiselhaft hält. Die Übelkeit ließ nach, auch die Schmerzen, er öffnete die Augen, und zum ersten Mal, seit er mit dem Jungen und dem Hund zurückgekommen war, schaute er mich ruhig an, hob die Hand, fuhr mir über den geschorenen Kopf und sang leise: »Er wusste ihren Namen nicht, aber ihr Zopf begleitete ihn auf dem ganzen Weg …« Durch die ganzen Ereignisse hatte ich vergessen, was für einen schönen Bariton er hatte. Wie wir in unserer Studentenzeit zusammen gesungen hatten, »Klein ist es, mein Zimmer, und eng«, und »Meine Stirn schmückt schwarzes Gold«. Seine Hand streichelte meine Stoppeln, bis er sie senkte, weil eine neue Welle von Übelkeit in ihm aufstieg.
    »Und er wusste, eines Tages würden sie sich

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