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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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Beine, die tiefen Spuren, die entspannte Schwere ihrer Schritte und schlug mir an den Kopf, was war mit mir los? Normale Menschen gehen den Strand entlang und essen Karotten, und ich stehe vor dieser Schönheit und halte Trauerreden auf meinen Mann, als wäre ihm etwas Schlimmes passiert, von dem er sich nicht erholen könnte.
    Die Frau nahm die Karotte an beiden Enden, beugte sich vor, zerbrach sie und hielt mir eine Hälfte hin. »Hier, nehmen Sie, das ist gesund.« Ich nahm die halbe Karotte und aß sie, und schon lange hatte mir nichts mehr so gut geschmeckt. Der Monat Elul, eine Frau mit einer Karotte in der Hand und Zellulitis an den Oberschenkeln hatte mir etwas von ihrer Karotte abgegeben, und schon war das Material, aus dem das Leben bestand, weicher geworden. Sie blieb stehen und schaute mir nach, als ich den Strand hinauflief zum Parkplatz, ich drehte mich zweimal um und sah, dass sie immer noch da stand, die brennende Karotte in der Hand, und mir besorgt hinterherblickte.
    Ein Polizist und eine Polizistin erwarteten mich am Haustor. Er war zuständig für die schlimmen Nachrichten, sie dafür, Beruhigungstropfen zu verteilen, so war die Prozedur, wenn man Hinterbliebene benachrichtigte. Die Augen des Altenbeobachteten vom Fenster aus das Tor. Und wie bei jeder guten Tragödie stand jetzt auf dem Schild, das der Hahn vollgeschissen hatte, ein Rabe und verlieh der Szene eine klare, aber abgedroschene Symbolik.
    »Was ist passiert?«, schrie ich.
    »Kennen Sie diese Person?« Der Polizist hielt mir ein Foto hin. Mein Seufzer der Erleichterung traf seine Wange, er wich einen Schritt zurück.
    Ich wusste nicht, was besser für mich war, Ja zu sagen oder Nein.
    »Madonna Solschenizyn«, sagte ich.
    Sie fragten, ob sie bei mir geschlafen habe, ob mir bekannt sei, woher sie kam und wohin sie ging. Die Polizistin schrieb alles auf. Der Polizist bat mich, das Haus durchsuchen zu dürfen. Der Alte sah alles und notierte es in seinem Gedächtnis.
    »Bitte, ich habe nichts zu verbergen.«
    In ihren strengen Uniformen gingen sie hinter mir, der Barfüßigen, her, an ihren Gürteln klapperten die Schlüssel für Handschellen. Sie öffneten die Schränke, suchten zwischen den Büchern, hoben meine Kleidungsstücke hoch, das Kissen, das Laken, drehten die Matratze um und wandten sich dann dem Zimmer des Jungen zu und taten mit seinem Bett das Gleiche, die Polizistin hob die Decke hoch, mit allen Bären darauf, und entdeckte ein dünnes Baby Doll, auf das ein Bild der großen Popsängerin Madonna gedruckt war.
    »Wem gehört das?« Der Polizist hob den rosafarbenen Pyjama hoch.
    Undankbares Luder. Während ich das Brot auftaute und Rührei briet, war sie zum Badezimmer gegangen und hatte auf dem Weg das Bett des Jungen gesehen, Beweisstückeverstreut und sich ein Alibi beschafft. Und trotzdem stand ich auf der Seite des Bösen, kollaborierte mit ihr und sagte: »Es gehört Madonna. Sie ist am Morgen weggegangen und hat das vergessen.«
    »Merken Sie sich, eine Lüge wird als Beihilfe betrachtet«, sagte der Polizist und stellte Fragen, und ich antwortete und wusste nicht, ob ich Madonna damit nützte oder schadete. Zumindest hatte ich einen Rechtsanwalt in der engeren Familie, obwohl er zurzeit am Roten Meer eine Auszeit nahm, aber im Notfall würde er alles stehen und liegen lassen und herkommen.
    Der Polizist wischte sich den Schweiß ab und sagte: »Das wär’s vorläufig, es kann sein, dass wir Sie zum Verhör bestellen.« Die Polizistin bat um ein Glas Wasser, und der Polizist sagte: »Gut, wenn das so ist, möchte ich auch eins.«
    Dann gingen sie fort.
    Der Mann, der Sohn und der Hund waren in Eilat, ich hatte zur Ruhe kommen wollen, war aber mit Madonnas Ärger beschäftigt. Der Mensch steht morgens auf, und dann stellt sich heraus, dass er ein Stamm ist, zwanzig Beine nach sich zieht und mit zwanzig Händen winkt und sein Herz für zwanzig schlägt und er keinen Moment hat, er selbst zu sein.
    Der Alte stand ganz offen in seinem Fenster, ohne Rollladen und ohne Fliegennetz zwischen ihm und der Welt, und hatte mit seinen trüben Augen die Polizisten kommen und gehen sehen. Wäre ich Rembrandt, hätte ich mit meinem Pinsel das Licht eingefangen, das auf seine Stirn und seine Augenhöhlen fiel, das kranke Licht einer alt und schwach gewordenen Sonne.
    Als der Alte mich sah, wandte er das Gesicht und betrachteteden Raben, der auf seinem Tor saß, auf dem Schild »Levi«, und die getrocknete Kacke des Hahns abkratzte.

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